Die Strukturen, die dem holistischen und dem atomistischen Weltbild zugrunde liegen, sind zwei verschiedene Ausdrucksformen ein und derselben Bewusstseinsform, die Gebser mental nennt. Tatsächlich stellen die beiden Weltbilder in ihrer Gegenläufigkeit gewissermassen die zwei Seiten einer Münze dar. So ist auch die Vorstellung eines hierarchischen Aufbaus der Welt zwar beiden gemeinsam, aber mit entgegen gesetzten Vorzeichen. Im holistischen Weltbild wird der Kosmos als ein System ineinander geschachtelter Sphären, auf denen sich die Fixsterne, die Sonne, die Planeten und der Mond drehen, mit der Erde im Zentrum vorgestellt. Das ganze System wird von aussen durch ein geistiges oder göttliches Prinzip als unbewegtem Beweger angetrieben (siehe Abbildung
2).36Siehe z.B. Hartmut Bastian 1970: 24.
Im atomistischen Weltbild baut sich die Welt über eine Stufenleiter von immer grösseren Entitäten aus Atomen bzw. subatomaren Partikeln auf (vgl. Abbildung 4 in Exkurs 2, in der dann in diesem Fall aber nur die kausalen Richtungen von unten nach oben gelten). Wie in 4.4 in "Bewusstsein" erläutert, zeichnet sich die mentale Bewusstseinsstufe durch ein gerichtetes Denken aus, und Gebser weist darauf hin, dass das lateinische mens (wie übrigens auch "Mensch") auf die Wurzel ma zurückgeht, die "Denken" und "Messen"
bedeutet.37Gebser 1949: 127.
Die zwei Weltbild-Ausprägungen können wir mit Gebsers Unterscheidung zwischen einer früheren "effizienten" und einer späteren "defizienten" Form in Beziehung bringen und damit die erstere dem holistischen, die letztere dem atomistischen Weltbild zuordnen. Das hat einen positiven bzw. einen negativen Beiklang, und dies ist von Gebser auch beabsichtigt.