Zusammenfassend: In einem neuen relational-evolutionären Weltbild muss mit der Überwindung des Dualismus von Oben vs. Unten (Geist vs. Materie) auch die des Gegensatzes von Innen vs. Aussen (Mensch vs. Natur) gelingen. Das neue Denken, so sagt Zimmerli, setzt "Natur als die die subjektive und objektive Sphäre umgreifende Einheit
voraus."162Zimmerli 1989b: 391.
Bei Hösle gibt es die Vorstellung einer objektiven Vernunft, die sich uns mitteilt, wenn wir auf sie hören wollen. Sie geht davon aus, "dass das Denken ... an etwas Absolutem, nicht von ihm Gesetzten, sondern es Setzendem teil
hat."163Hösle 1990: 208.
Er betont dabei, dass diese Vernunft nicht sinnlich wahrgenommen werden könne, dass sie auch nicht Gegenstand der Introspektion oder Interpretation, sondern Gegenstand des Denkens
sei.164Siehe Hösle 1990: 208.
Ähnliche Vorstellungen finden sich bei Rudolf Steiner, von Friedrich Hiebel so beschrieben: "Es gibt reine Gedanken, die in sich selbst bestehen und bei denen alles ausgeschaltet ist, was Wahrnehmung der Sinne oder sonstig leiblich-bedingtes Innenleben
ist."165Friedrich Hiebel 1981: 28.
Was dies genau bedeuten soll, wenn wir doch auf der anderen Seite der Auffassung anhängen, dass echte Vernunft, d.h. Vernunft, die über den bloss kopfbezogenen Verstand hinausgeht, durch ein integratives Mitwirken aller Bewusstseinsebenen zustande komme, wäre weiter zu untersuchen. Wichtig ist aber auf alle Fälle die Überzeugung, dass wir über eine innere Orientierungsquelle verfügen und dass das, was wir von ihr erfahren können, keinen beliebigen Charakter hat. Wenn heute "vom Ende der grossen Entwürfe" die Rede ist, so ist damit in erster Linie das Ende des mechanistischen Zeitalters mit seinem Anspruch "auf objektive Erkenntnis, auf orts- und zeitübergreifende rationale Erklärungen, auf die Steuer- und Planbarkeit von technischen und sozialen Prozessen"
gemeint.166Hans Rudi Fischer 1992: 9.
Es heisst nicht, dass jetzt eine Epoche des Durcheinanders der verschiedensten "kleinen Entwürfe" anbrechen muss oder darf. Im Gegenteil, der mit der Existenz einer ökologischen Krise verbundene Handlungsbedarf verlangt von uns eine Konsensfähigkeit. Personen, Gruppen oder Kulturen, die sich am neuen Weltbild ausrichten, können nach Naess, gerade hinsichtlich der Umweltprobleme, eine gemeinsame Plattform finden, die sogar umso stärker ist, je verschiedener die ursprünglichen Ausgangspunkte
sind.167Vgl. David Rothenberg 1993: 4.
Wesentlich dabei ist, dass wir nicht nur dem Verstand, sondern auch Intuitionen und Gefühlen Raum geben, denn auch derart gestützte Ansichten sind, so Naess, ein integraler Bestandteil der objektiven Realität, und nur ihre Berücksichtigung kann uns zu verantwortungsvoll Handelnden
machen.168Siehe Rothenberg 1993: 14.
Wenn wir fähig sind, Beziehungen zur Umwelt zu einem Teil von uns selbst zu machen - ein Prozess, den Naess "Identifikation" nennt (vgl. 6.1.5 in
"Bewusstsein")169Vgl. Rothenberg 1993: 10 f.
-, können wir in dem, was wir wahrnehmen, in einem gewissen Sinne so leben, wie wir in unserem Körper leben. Bei Polanyi finden wir dazu die Verbindung zur Ich-und-Du-Philosophie von Martin Buber (vgl. 3.2 in "Bewusstsein"):