Die Welt der Vorzeit ist nicht-hierarchisch und damit auch richtungslos. Es gibt also keine eindeutigen Vorstellungen von Teilen gegenüber einem Ganzen. Insofern Unterscheidungen dieser Art überhaupt gemacht werden, kann ein einzelner Teil für das Ganze stehen (pars pro toto) und umgekehrt. Ansonsten wird die Welt als aus vielfältigen Einzelheiten bestehend
wahrgenommen,104Gebser (1949: 80) redet davon, dass das Bezugssystem "diese ... punktartig voneinander geeinzelten Gegenstände, Geschehnisse oder Taten" seien.
die alle auf gleicher Stufe stehen, fast beliebig vertauschbar sind und auch alle miteinander in Beziehung stehen können, und zwar auch dort, wo nach unserem Verständnis keine kausal interpretierbare Verbindung besteht - Eder redet hier vom "präkausalen
Denken".105Eder 1980: 52.
Als Beispiel mag das Weltbild der Navaho-Indianer dienen: "From the Navaho viewpoint everything is related to everything
else."106Clyde Kluckhohn 1964: 108.
In der magischen Welt haben die Einzelheiten eher einen
unpersönlichen,107Für Kräfte dieser Art hat sich in der Ethnologie die Gattungsbezeichnung "Mana" eingebürgert, ein Begriff, der aus dem Melanesischen stammt (vgl. Friedrich Heiler 1984: 50 ff.).
in der mythischen Welt dagegen einen personalistischen Charakter: Hier begegnet das erwachende Ich des Menschen einem "Du" in den Erscheinungen der Umwelt, und zwar gehören dazu nicht nur andere Lebewesen, sondern auch Berge, Flüsse, Winde, Regen, Gestirne usw. So erscheint den eben zitierten Navaho fast alles
personalisiert.108Siehe Kluchkhohn 1964: 104 f.
Es wird auch keine scharfe Grenze zwischen dem Lebendigen und dem Nicht-Lebendigen gezogen, auch nicht zwischen Mensch und Tier, denn es sind Metamorphosen möglich. Angenommene engere Verwandtschaften zwischen Mensch und Tieren oder auch Pflanzen drücken sich in totemistischen Verbindungen aus und diese können sich als rigorose Verbote der Tötung und des Verzehrs der betreffenden Lebewesen auswirken. Zwischen "natürlich" und "übernatürlich" gibt es keine
Grenze109Eigentlich sollte der Ausdruck "übernatürlich" gar nicht verwendet werden, da in einem archaischen Weltbild alles als natürlich erscheint (vgl. Irving Hallowell 1964: 58).
und die menschliche Kultur wird in Analogie zur Natur
gesehen.110Eder (1980: 152 f.) spricht hier von der "konkretistischen Verknüpfung von Realitätsbereichen" bzw. von einer "analogischen Isomorphie".
Zur Illustration sind im Exkurs 4 ein magisches Ritual beschrieben und eine mythische Vorstellung wiedergegeben.