Aus rein ökonomistischer Sichtweise ist der Schluss wohl folgerichtig, die Umweltprobleme liessen sich am besten durch eine möglichst deregulierte und globalisierte Wirtschaft lösen. Leider lehrt die an den Tatsachen orientierte Erfahrung, dass die zunehmende Internationalisierung der freien Marktwirtschaft eine Quelle massiver Umweltzerstörung
ist.37Siehe dazu Daly 1993. Eine Globalisierung sehe ich als sicheren Weg zum beschleunigten Untergang. Wenn einem die zerstörerische, kaum zu bremsende Kraft des Wirtschaftssystems bewusst geworden ist, müsste man logischerweise eigentlich, wie dies von Lothar Mayer diskutiert wird, zum Schluss kommen, es müsste alles getan werden, um die Selbstvernichtung des Systems zu beschleunigen, weil eine Abnahme der Systemakzeptanz offenbar nur über Katastrophen zu erwarten ist (Mayer 1992, 55). Wer rational, und zwar eben nicht nur eng ökonomisch-rational, denkt, muss die Globalisierung aus diesem Grund eigentlich unterstützen. Mayer selbst allerdings meint, es sei "für einen Menschen mit Herz und Verstand, mit Leidenschaft und Engagement", unmöglich, dieser Einsicht zu folgen. Er müsse sich trotzdem dem Kampf gegen die Umweltzerstörung stellen, zwar ständig seine Sinnlosigkeit vor Augen habend, aber doch darauf hoffend, dass damit ein Beitrag zum Bewusstseinswandel geleistet sei (Mayer 1992, 56-58).
Je anonymer die systemische
Integration38Im Gegensatz zur sozialen Integration, vgl. Fussnote 17.
des wirtschaftlichen Geschehens, desto grösser ist die
Verantwortungslosigkeit.39Damit soll nicht gesagt sein, dass alle Wirtschaftssubjekte primär verantwortungslos sind, sondern dass sie im Sinn der Rede von der "organisierten Unverantwortlichkeit" (Untertitel eines Buches von Ulrich Beck 1988) Verantwortung gar nicht wahrnehmen können
Daraus ziehe ich die Folgerung, dass wir zu überschaubaren Strukturen zurückfinden sollten, bei denen die Bezüge von Menschen zum Lebensraum wieder enger werden. Geographisch gesehen bedeutet dies im Gegensatz zur Globalisierung eine Regionalisierung, d.h. eine Besinnung und Ausrichtung unseres Lebens auf regionale Grundlagen und Zusammenhänge. Wir können dies als eine gesellschaftliche Umstrukturierung verstehen, die eine territoriale an die Stelle der genannten funktionalen Differenzierung setzt. Diese Sichtweise findet Unterstützung von vielen Seiten, z.B. bei E.F. Schumacher mit seinem "small is
beautiful",40E.F. Schumacher meint: "Was heisst denn Demokratie, Freiheit, Menschenwürde, Lebensstandard, Selbstverwirklichung, Erfüllung? Geht es dabei um Güter oder um Menschen? Selbstverständlich geht es um Menschen. Doch Menschen können nur in kleinen, überschaubaren Gruppen sie selbst sein. Wir müssen daher lernen, uns gegliederte Strukturen vorzustellen, innerhalb derer eine Vielzahl kleiner Einheiten ihren Platz behaupten kann. Wenn unser wirtschaftliches Denken das nicht erfasst, dann taugt es nichts" (Schumacher 1985, 67).
bei John Dryzek, der zum Schluss kommt, dass eine "radikale Dezentralisierung" vonnöten
sei,41Dryzek 1987, Kap.16 ("Radical Decentralization"), 216-229.
und bei Gerhard Bahrenberg und Marek Dutkowski, die das Verfolgen einer "ökoregionalen Strategie"
postulieren.42Siehe Gerhard Bahrenberg und Marek Dutkowski 1993.
Entsprechende Ideen kursieren in Nordamerika im Zusammenhang mit einem Diskurs über
"Bioregionalismus".43Vgl. Van Andruss u.a. 1990. Ein Artikel von Jim Dodge in diesem Buch trägt den Titel "Living by life", was auf das grundlegende Konzept des Bioregionalismus hindeutet, nämlich eine Orientierung der menschlichen Existenz am Leben, nicht am wirtschaftlichen Profit oder an der politischen Macht. Die drei Elemente, die dies ermöglichen sollen, sind "a decentralized, self-determined mode of social organization; a culture predicated upon biological integrities and acting in respectful accord; and a society which honors and abets the spiritual development of its members" (Dodge 1990, 10).
Eine territoriale Organisation soll einen Rahmen für die beiden ersten Notwendigkeiten schaffen, nämlich für die Orientierung an einem überschaubaren Lebensraum und an einer überschaubaren Gemeinschaft. Diese beiden ergänzen und beeinflussen sich gegenseitig. Mit andern Worten, eine solche Struktur kann der Befreiung von Systemzwängen und der Förderung echter Selbstbestimmung dienen. Arne Naess drückt es so aus: