www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Menschwerdung

3. Der Prozess der Menschwerdung

Die baumbewohnenden Primatenvorfahren der Menschen brachten schon eine Reihe von wichtigen Merkmalen mit, die für eine spätere Hominisation eine wichtige Voraussetzung dargestellt haben dürften. Dazu gehörten: Die zum Greifen geeigneten Hände, die nach vorne gerichteten und damit ein stereoskopisches Sehen ermöglichenden Augen, ein etwas grösseres Gehirn, eine (im Vergleich zu andern terrestrischen Säugetieren) höhere Intelligenz und eine relativ grosse Komplexität des sozialen Verhaltens.59 Im folgenden betrachten wir einige wichtige Aspekte des auf dieser Grundlage aufbauenden Hominisationsprozesses. Eine Übersicht über die zeitliche Einordnung verschiedener Aspekte gibt Abbildung 8. Wie Pilbeam betont,60 ist das, was bei der Betrachtung des Unterschiedes zwischen Mensch und Tier herausgestrichen wird, immer von zeitgenössischer Ideologie beeinflusst. Zu Darwins Zeiten mit der Idee des Kampfes ums Dasein war dies der Werkzeuggebrauch; am Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Gehirn und Intelligenz die grösste Bedeutung zugemessen; mit der raschen Entwicklung der Technik vor dem Zweiten Weltkrieg erschien die menschliche Fähigkeit des Werkzeugmachens als entscheidend; nach dem Krieg dann schien das Typische am Menschen in seiner Eigenschaft als "killer ape" zu bestehen; mit der rasanten Verbreitung der Medien in den 60er Jahren rückte die Sprachfähigkeit in den Vordergrund; und mit der Frauenbewegung schliesslich sind "weibliche" Aspekte wie die kooperative Nahrungssuche als wichtig angesprochen worden.
Abbildung 8: Das Fortschreiten des Hominisations-Prozesses, gezeigt anhand von wesentlichen morphologischen und kulturellen Phänomenen (nach Tobias 1981, aus Müller 1987: 129)
Abbildung 8: Das Fortschreiten des Hominisations-Prozesses, gezeigt anhand von wesentlichen morphologischen und kulturellen Phänomenen (nach Tobias 1981, aus Müller 1987: 129)

Anmerkungen

59
Siehe Hubert Markl 1986.
60
Zitiert in Leakey 1981: 52-53.