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Biologische Evolution

Biologische Evolution

1. Von der Präformations- zur modernen Evolutionstheorie
1.1 Zum Begriff der Evolution
1.2 Die Zeit vor Darwin
1.3 Darwin und seine Evolutionstheorie
1.4 Kontroversen nach Darwin
1.5 Die moderne Evolutionstheorie
2. Fragezeichen und Gegenstimmen
2.1 Nur Zufall und Notwendigkeit?
2.2 Gradualismus versus Punktualismus
2.3 Zwecklosigkeit versus Zweckhaftigkeit
2.4 Die Zwischenlösung als relationale Alternative
2.5 Beispiele von relationalen Ansätzen
2.5.1 Die Systemtheorie der Evolution von Rupert Riedl80
Siehe dazu die ausführliche Darstellung bei Rupert Riedl 1975 und die knappen Zusammenfassungen in Riedl 1985: 177 ff. und Wuketits 1981: 95 ff.
2.5.2 Die Autopoietische Systemtheorie von Humberto Maturana und Francisco Varela84
Wichtige Komponenten einer autopoietischen Systemtheorie finden sich in Francisco J. Varela 1979. Die beste Darstellung dieser Theorie im Zusammenhang mit Fragen der Evolution findet sich aber wohl in Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela 1987. Für einen allgemeinen Überblick siehe auch Dieter Steiner 1989.
2.5.3 Die "Ökologie des Geistes" von Gregory Bateson (1904-1980)93
Siehe dazu Bateson 1972 und Bateson und Bateson 1987. Das letztere Buch, "Angels Fear", wurde nach dem Tod von Gregory Bateson von seiner Tochter Mary Catherine fertiggestellt.
2.5.4 Die Theorie der "morphischen Felder" von Rupert Sheldrake104
Siehe Rupert Sheldrake 1985 und 1990.
3. Zur Entstehung des Lebens
3.1 Verschiedene Ursprungshypothesen
3.2 Die Bausteine des Lebens und ihre Entstehung
3.2.1 Was ist Leben?
3.2.2 Die materialistische Standardhypothese
3.2.3 Gibt es einen oder zwei Ursprünge des Lebens?
3.3 Genügt eine materialistische Erklärung?
4. Zum Verlauf der biologischen Evolution
4.1 Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre als Faktor der Evolution
4.2 Die Gaia-Hypothese
4.3 Explosionen und Auslöschungen
4.4 Das Muster der evolutionären Hierarchie182
Das ist ein leicht veränderter Teil aus einem Papier, das ich aus Anlass der Tagung "Humanökologie der Zukunft", Wislikofen, 6.-10.Juli 1998, schrieb (Steiner 1998).
Es scheint, dass der Fortgang der Evolution nach einem repetitiven Muster verläuft, d.h. es lässt sich eine Art Gesetzmässigkeit des Auftretens von Innovationen revolutionären Charakters feststellen, die ich als "evolutionäre Hierarchie" bezeichne. Sie sieht folgendermassen aus: Immer wieder tauchen im Laufe der Evolution aus dem, was schon da ist, revolutionäre Neuerungen auf, emergente Phänomene, wie sie genannt werden. Das Neue hat dabei gegenüber dem Alten einen Ausdifferenzierungs- und Emanzipationscharakter: Es verfügt über zusätzliche Freiheitsgrade, und diese bedeuten auch, dass es kausal auf seine Ausgangsbasis zurückwirken kann. Gleichzeitig aber, so scheint es, bleibt das Neue für sein eigenes Wohlergehen auf eine Weiterexistenz des Alten angewiesen, auch wenn diese in einer gewissen veränderten Form stattfindet. Wenn solche Neuerungen in mehreren voneinander getrennten Schritten auftreten, ergibt sich eine Folge, eben eine evolutionäre Hierarchie, wie ich sie in Abbildung 15 skizziert habe.
Abbildung 15: Schematische Darstellung des Prinzips der evolutionären Hierarchie mit der hypothetischen Folge von älter bis jünger der Phänomene A, B und C: Oben im Grundriss, der als Einbettung des Jüngeren in das Ältere gelesen werden kann, unten in Form einer Pyramide, die daran erinnert, dass die Phänomene aufeinander aufbauen.
Abbildung 15: Schematische Darstellung des Prinzips der evolutionären Hierarchie mit der hypothetischen Folge von älter bis jünger der Phänomene A, B und C: Oben im Grundriss, der als Einbettung des Jüngeren in das Ältere gelesen werden kann, unten in Form einer Pyramide, die daran erinnert, dass die Phänomene aufeinander aufbauen.
Dabei ist in vielen Fällen das Neue, bevor es sich zu einem selbständigen Phänomen mit Kausalcharakter ausdifferenziert, im Alten schon als Teilaspekt angelegt. Es gilt auch, dass das Alte bezüglich des Neuen nicht nur einen konstitutiven, sondern auch einen regulativen Charakter hat. Mit andern Worten, es sind einerseits Teile des Alten wesentlich für den Aufbau des Neuen, andererseits aber verfügt das Alte auch über Strukturen, die dem Neuen einen einschränkenden Rahmen geben. Neues und Altes stehen also in einem Wechselwirkungsverhältnis, aber letztlich besteht eine Asymmetrie, indem existentiell gesehen das Alte den Primat vor dem Neuen hat, ganz einfach deshalb weil das Neue ohne das Alte, oder jedenfalls ohne eine bestimmte Qualität des Alten, gar nicht existieren kann. Wir stossen hier auf die Ursprünge des Problems der Freiheit: Freiheit kann immer nur dann echte Freiheit sein, wenn sie sich innerhalb von Bindungen entfaltet, sonst wird sie zur Willkür und zerstört letztlich sich selbst. In seinem Buch "Organismus und Freiheit" betont der Philosoph Hans Jonas die Tatsache, dass sich bei der Entwicklung des Lebens in der biologischen Evolution Freiheit und Bindung natürlicherweise die Waage halten: Ein grösserer Grad von Emanzipation geht immer auch mit einem grösseren Grad von Angewiesenheit einher.183
Hans Jonas 1973: 131-133.
Die ökologische Nahrungskette kann als paradigmatisches Beispiel für eine evolutionäre Hierarchie gelten (vgl. dazu Abbildung 16)184
Für eine ausführliche Nahrungsketten-Diskussion siehe z.B. Hermann Remmert 1992: 258 ff.
. Vereinfacht dargestellt gilt: Pflanzen als Primärproduzenten nehmen für ihren Lebensunterhalt aus ihrer anorganischen Umgebung Licht, Wasser, Kohlendioxid und Mineralien auf. Sie bilden dann Futter für pflanzenfressende Tiere, Primärkonsumenten genannt. Diese wiederum dienen als Nahrung für fleischfressende Tiere, die Sekundärkonsumenten. Logischerweise konnte eine solche Kette nur dann entstehen, wenn prinzipiell die pflanzliche Lebensform derjenigen der Herbivoren vorausging, und diese wiederum älter war als die der Karnivoren. Ökologisch bedeutsam ist schliesslich noch das bei der Nahrungskette auftretende Prinzip der Rezyklierung: Sog. Destruenten - das sind Gliederfüssler, Schnecken, Würmer, Pilze und Bakterien - verzehren oder zersetzen tote Organismen, so dass entweder organische Stoffe direkt wieder in den Lebenskreislauf eintreten oder aber in die anorganische Welt rückgeführt werden.
Abbildung 16: Vereinfachte Darstellung der ökologischen Nahrungskette bzw. -pyramide als paradigmatisches Beispiel für die Idee der evolutionären Hierarchie
Abbildung 16: Vereinfachte Darstellung der ökologischen Nahrungskette bzw. -pyramide als paradigmatisches Beispiel für die Idee der evolutionären Hierarchie
Es scheint plausibel, dass das Prinzip der evolutionären Hierarchie zunächst einmal im materiell-physiologischen Bereich Gültigkeit hat. Was uns dann interessieren wird, ist die Frage, ob es auch auf die Phänomene der kulturellen Evolution zutrifft. Ich denke ja - deshalb greifen wir es hier auf.
Zitierte Literatur