1859 publizierte Charles Darwin (1809-1882) sein Buch »The Origin of Species« (Die Entstehung der
Arten)16Charles Darwin 1984 (1859).
, in dem er eine Theorie der biologischen Evolution formulierte, die bis heute als mehr oder weniger gültig angesehen wird. Damals war sie zunächst umstritten, sollte aber später im Rückblick als epochales Werk eingestuft werden. Dabei hat Darwin nie eine formelle Ausbildung in Biologie
genossen.17Zur Biographie von Darwin siehe Birx 1984: 98 ff., ausführlich in Johannes Hemleben 1979.
Er studierte zunächst, der Vorstellung seines Vaters entsprechend, Medizin, gab aber dieses Studium bald wieder auf, da er kein Herz dafür hatte, und sattelte auf Theologie um. Von jung auf hatte er sich aber für die Erscheinungen der Natur interessiert und immer Steine, Mineralien, Fossilien, Pflanzen und Insekten gesammelt. 1831 erhielt er eine Einladung, als Naturalist und Begleiter des Kapitäns Robert Fitzroy an einer zwei- bis dreijährigen Reise auf der H.M.S. Beagle teilzunehmen. Es wurden dann 5 Jahre daraus. Während dieser Zeit wurde ganz Südamerika mit einer Umrundung von Kap Horn umfahren. Ein mehrwöchiger Aufenthalt auf den Galapagos-Inseln 1835 hatte schliesslich eine Katalysator-Wirkung: Darwin war nun überzeugt, dass Organismen veränderlich sind und dass damit eine biologische Evolution stattfindet. Es fehlte ihm aber noch eine Theorie, die eine solche Evolution erklären würde. 1838 las er zufällig - zur reinen Unterhaltung, wie er später in seiner Autobiographie darlegte - "An Essay on the Principle of Population" des englischen Nationalökonomen und Historikers Thomas Robert Malthus
(1766-1834)18Thomas Robert Malthus 1993 (1798).
. Malthus warnte vor den Folgen einer ungehemmten Bevölkerungswachstums, denn er vertrat die Ansicht, dieses hätte die Tendenz, einer geometrischen Progression zu folgen, während die Nahrungsmittelproduktion nur in Form einer linearen Folge gesteigert werden könne. Er legte weiter dar, es gebe zwei Arten von Hemmungen, die die Grösse der Bevölkerung innerhalb der durch die Ressourcen gesetzten Grenzen halten könnten, nämlich erstens von ihm positiv genannte, die zu einer Erhöhung der Sterberate führten (z.B. Hunger, Krankheit, Krieg), und zweitens präventive, verantwortlich für eine Erniedrigung der Geburtenrate (Geburtenkontrolle, Abtreibung, Ehelosigkeit usw.). Was Darwin an dieser Lektüre besonders interessierte, war der Grundtenor des Kampfes ums Dasein, von dem auch die Menschen nicht verschont sind. Und, wie er selbst berichtete, "it at once struck me that under these circumstances favourable variations would tend to be preserved, and unfavourable ones to be destroyed. The results of this would be the formation of new
species."19Aus Darwins Autobiographie, zitiert aus der Einführung von Geoffrey Gilbert zu Malthus' "An Essay ...", xxi.
Darwin war mit diesem Gedanken auf das Prinzip der natürlichen Selektion gestossen und konnte nun seine Theorie formulieren. Dabei fiel ihm auch ein, dass ja die Domestikation unserer Haustiere zu einer Fülle verschiedener Formen geführt hat. Durch Züchtung werden wünschbare Merkmale ausgewählt, und Darwin dachte, dieses Prinzip liesse sich analog auf die Verhältnisse in natürlichen Lebensräumen übertragen, in denen dann die Umweltbedingungen die Rolle einer "züchtenden" Instanz übernehmen
würden.20Vgl. Siewing 1982: 116. Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass die Domestikation noch in keinem Fall zur Entstehung einer neuen Art geführt hat. Es hat nur Veränderungen innerhalb von Arten gegeben.
Es sollte aber noch länger dauern, bis Darwin seine Einsichten der Öffentlichkeit anvertrauen würde. Zwar verfasste er schon anfangs der 40er-Jahre verschiedene Abhandlungen zum Thema, ohne sie aber zu publizieren. Was hielt ihn davon ab? Gould ist der Meinung, dass er sich zweifellos einerseits noch weiter dokumentieren und absichern wollte, dass er aber andererseits Angst davor hatte, seine Theorie publik zu
machen.21Siehe Gould 1992: 23-24.
Dabei betrafen seine Bedenken nicht die Idee der Evolution an sich, denn diese war schon in weiten Kreisen verbreitet, sondern er dachte offenbar, die der Theorie zugrunde liegende materialistische Grundhaltung - alles, was existiert, hat eine materielle Grundlage, während geistige Phänomene Nebenprodukte sind - könnte als zu ketzerisch eingestuft werden. Das Zögern Darwins dauerte bis 1858, als er ein Paket des Zoologen Alfred Russell Wallace (1823-1913) aus Malaysia
erhielt.22Siehe Birx 1984: 98 ff.
Dieses enthielt ein Manuskript, zu dem der Autor gerne Darwins Kommentar gehabt hätte. Der letztere war überrascht, feststellen zu müssen, dass Wallace unabhängig von ihm zur praktisch gleichen Theorie gelangt war. In der Folge wurden bei einer Veranstaltung der Linnean Society of London zwei Papiere vorgelesen, das eine von Darwin, das andere von Wallace - die Autoren selbst waren nicht anwesend. Die Gesellschaft fand, dass die erste Priorität für die Idee der Evolution mittels natürlicher Auslese Darwin zukomme. Dieser wurde so zum wissenschaftlichen Star, während Wallace später fast in Vergessenheit geriet.