www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Biologische Evolution

3.2.1 Was ist Leben?

Was ist überhaupt Leben? Es ist äusserst schwierig, eine einfache Definition zu geben. Rahmann gibt die folgende Liste von Merkmalen, die nach heutiger Ansicht allen Lebewesen gemeinsam sind und damit das Leben eindeutig von der unbelebten Materie abheben:119
·
Art des chemischen Aufbaus
·
Zelluläre Organisation
·
Stoff- und Energiewechsel
·
Fortpflanzung
·
Reizbarkeitserscheinungen
·
Zweckmässigkeit und Anpassungsfähigkeit
·
Zunahme des Ordnungsgrades (Verringerung der Entropie)
·
Besondere psychische Eigenschaften.
Begriffe wie aktive Beweglichkeit, Wachstum, Formwandel etc., die früher dazugezählt wurden, stehen nicht mehr auf der Liste, da es Phänomene mit solchen Eigenschaften schon im Bereich des Unbelebten gibt.120
Eine kompaktere Darstellung, die drei grundlegende Komponenten identifiziert, liefert Wolfram Heumann.121 Diese Bestandteile betreffen drei Arten von makromolekularen Substanzen, nämlich Proteine, Nukleinsäuren und Membranen. Diese bilden die Strukturen, die so miteinander in Wechselwirkung treten, dass dabei die Art von materieller Organisation entsteht, die wir Leben nennen. Proteine in der Form von Enzymen sind Verbindungen, die biochemische Vorgänge beschleunigen oder erst ermöglichen und damit eine Grundlage der Stoffwechselvorgänge bei Lebewesen sind. Nukleinsäuren sind die Bausteine der als genetischer Informationsspeicher fungierenden Desoxyribonukleinsäure (DNS). In einem Ablese- und Übersetzungsvorgang, bei dem Ribonukleinsäure (RNS) als Zwischenträger fungiert, wird diese Information zur Synthese von Proteinen benützt. Manfred Eigen stellt diese Zusammenhänge anschaulich wie folgt dar:122
Legislative
--->
Nachricht
--->
Exekutive
--->
Funktion
DNS
--->
RNS
--->
Protein
--->
Stoffwechsel
Die Nukleinsäuren haben aber auch die Fähigkeit der Reduplikation (auch Replikation genannt), d.h. der identischen Selbstduplizierung, was eine Voraussetzung für die Möglichkeit der Vermehrung bzw. Fortpflanzung ist. Die Membranen sind notwendig zur Bildung von Zellen als abgeschlossenen Räumen, in denen chemische Vorgänge kontrolliert ablaufen können. Diese drei Strukturen bilden drei verschiedene Instanzen, deren Rolle sich somit zusammenhängend wie folgt charakterisieren lässt (vgl. dazu Abbildung 9):123 Die Membranen diesen der Abgrenzung, die Proteine der Funktion und die Nukleinsäuren der Information.
Abbildung 9: Schema einer einfachen Zelle mit den drei grundlegenden Komponenten Information, Funktion und Abgrenzung (aus Heumann 1982: 127)
Abbildung 9: Schema einer einfachen Zelle mit den drei grundlegenden Komponenten Information, Funktion und Abgrenzung (aus Heumann 1982: 127)

Anmerkungen

119
Vgl. Rahmann 1980: 9.
120
Rahmann 1980: 15.
121
Heumann 1982: 119 ff.
122
Manfred Eigen 1987: 50.
123
Nach Heumann 1982: 126 f.