Hier wird davon ausgegangen, dass Umweltprobleme genau das sind, nämlich Probleme in der Umwelt. Sie sind deshalb naturwissenschaftlich analysierbar und technisch lösbar, was dann ein präventives oder reparierendes Eingreifen ermöglicht. Es handelt sich also um eine manipulative Haltung, die im Sinne einer Fortsetzung der bisher vorherrschenden Art des Denkens durchaus naheliegend ist. Inzwischen ist denn auch die Umweltforschung - neuerdings
Nachhaltigkeitsforschung143Vgl. Schweizerischer Wissenschaftsrat 1998.
- in grossem Stil angelaufen. Manchmal habe ich den bösartigen Gedanken, dass die Existenz von Umweltproblemen der Wissenschaft nicht eigentlich unwillkommen ist, gibt es doch damit neue Untersuchungsgebiete mit entsprechenden Forschungsgeldern, die ausgedehnte Messkampagnen und Modellstudien ermöglichen. Dabei herrscht auch immer noch die konservative Vorstellung vor, wonach wir Wissenschaft betreiben können, wie wenn wir von der Welt getrennte Beobachter derselben wären. Joan Davies von der EAWAG hat dazu einmal eine recht drastische Metapher geliefert:
Mir scheint, als ob wir unsere Umwelt in ein Versuchstier umwandeln und dieses dann distanziert, wie durch eine Glasscheibe, beobachten. Mit vielen Sonden, Proben, Geräten, Analysen, beschaffen wir uns die Information, die wir für notwendig halten. Wir schauen, wie dieses Wesen am Sterben ist, und verlangen noch intensivere Überwachungsmöglichkeiten, um die Dynamik des Sterbeprozesses noch besser verfolgen zu können ... Zu spät merken wir, dass die Glasscheibe, die uns von unserem Versuchsobjekt trennt, gar nicht durchsichtig ist. Es ist ein Spiegel, in den wir
schauen.144Joan Davies in Hartmut Bossel und Karl-Heinz Simon 1986: 48.
Um aber zur Vorstellung der Effizienzrevolution zurückzukehren: Die Kritik an der manipulativen Haltung heisst natürlich nicht, dass wir nicht alles unternehmen sollen, um zu einem effizienteren Einsatz der vorhandenen Ressourcen zu gelangen. Es soll damit aber gesagt sein, dass es gefährlich wird, wenn es dabei bleibt. Eine Effizienzsteigerung kann dazu führen, dass die betreffende Ressource jetzt erst recht intensiv verwendet wird, womit die erzielten Einsparungen oder Umweltschonungen bald durch eine gesteigerte Gesamtmenge überkompensiert werden. Zum Beispiel verringert zwar der Katalysator bei Motorfahrzeugen die Schadstoffemissionen, aber bei weiterer Zunahme des Strassenverkehrs ist davon nichts mehr zu spüren. Nehmen wir an, das mit dem Motorfahrzeug assoziierte Luftverschmutzungsproblem liesse sich durch die Herstellung eines schadstofffreien Autos ganz lösen. Der Eindruck, damit sei das Problem nun gelöst, könnte dann dazu führen, dass die Verkehrsmenge noch stärker als ohnehin erwartet ansteigt, was die weitere Landschaftszerstörung durch zusätzlichen Strassenbau nach sich ziehen würde. Dies wäre ein Beispiel dafür, wie die technische Lösung eines Problems ein anderes Problem bewirkt oder verschärft.
Eine Haltung, die nur auf den technischen Fortschritt abstellt, müsste letztlich "technokratisch" genannt werden. Dabei kann ein solcher Zugang zum Problem sich zu seiner Rechtfertigung auf empirische Evidenz berufen: irgendwie haben wir die Probleme bisher noch immer gelöst. Z.B. ist ist bei der Energieversorgung immer wieder ein zeitenweise dominanter Primärenergieträger durch einen nächsten substituiert worden, wie sich in der Folge Holz, Kohle, Erdöl und Erdgas, Kernenergie, Solarenergie
zeigt.146Vgl. dazu die Darstellung in Bruno Fritsch 1990, 133.
Nur: Während dies zwar für die bisherige abendländische Entwicklung seit dem Mittelalter zutrifft, lässt sich aus einer weitergefassten kulturgeschichtlichen Betrachtung erkennen, dass es in der Vergangenheit immer wieder menschliche Gesellschaften gegeben hat, die offensichtlich infolge Erschöpfung der ökologischen Basis zugrunde gegangen sind. Das mittlerweile vielleicht bekannteste Beispiel ist der Niedergang der Kultur auf der Osterinsel.