www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Einführung

1.1 Zur Ökologie

Wenn wir den Begriff “Ökologie” hören, denken wir zunächst wohl meist an die wissenschaftliche Disziplin, die sich so nennt. Wir haben sicher eine Vorstellung, mit was sich diese beschäftigt, aber es ist immer nützlich, sich wieder mal eine Definition anzusehen. Hier ist eine von Hans-Joachim Müller:
Ökologie ist der Teil der Biologie, der sich mit dem Haushalt der Natur, d.h. mit den Beziehungen der Organismen zu ihrer Umwelt befasst. Die Umwelt eines Organismus - aus der Sicht des Individuums, der Population oder der Art - enthält alle belebten (biotischen) und unbelebten (abiotischen) Faktoren und Elemente, die in seiner Umgebung vorhanden sind und - direkt oder indirekt - auf ihn wirken und/oder von ihm beeinflusst werden1
Insofern darin die Vorstellung einer Anpassung von Organismen an ihre Umwelt enthalten ist, können wir, wie Gerald Young bemerkt, den formalen Beginn des ökologischen Ansatzes in der Evolutionsbiologie von Charles Darwin (1809-1882) erkennen.2 Es war denn auch der Zoologe Ernst Haeckel (1834-1919), der sich für die Verbreitung des Darwinistischen Gedankengutes einsetzte und 1866 den Begriff der Ökologie als organismische Beziehungslehre einführte:
Unter Oecologie verstehen wir die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Aussenwelt, wohin wir im weitesten Sinn alle Existenzbedingungen rechnen können.3
Seither hat sich in der Ökologie eine klassische Dreiteilung herausgebildet, die den drei Möglichkeiten der Betrachtung der Hierarchie der Biosysteme entspricht, nämlich der Betrachtung von unten, aus der Mitte und von oben her:4
·
Die Autökologie geht vom Einzelorganismus, vom Individuum als Vertreter seiner Art aus;
·
Die Populationsökologie (auch Demökologie genannt) beschäftigt sich mit der Struktur und Dynamik lokaler Populationen bestimmter Arten;
·
Die Synökologie richtet ihr Augenmerk auf die Ökosysteme als der höchsten Stufe der Organisation des Lebens. Sie stellt den eigentlichen Kern der Ökologie dar.
Natürlich hat die wissenschaftliche Disziplin der Ökologie die Vorstellung, dass sie die reale Ökologie beschreibt und erklärt. Abgesehen davon, dass dies aber immer einer Abstraktion gleichkommt und damit mehr oder weniger adäquat ist, ist das Motiv für die wissenschaftliche Ökologie zunächst einmal einfach ein Erkenntnisinteresse. Dem allgemeinen Charakter der neuzeitlichen Wissenschaft entsprechend, ist dieses aber nicht neutraler Art (Erkenntnis um der Erkenntnis willen), sondern lebt von Beginn weg auch von den Antrieben, “die sich bei der explosiven Ausdehnung der menschlichen Interessen an der Nutzung natürlicher und künstlicher Ökosysteme ergaben.”5 Demgegenüber hat sich aus der Tatsache der heutigen Umweltprobleme (die nicht zuletzt ja auch die Folge einer übermässigen Ressourcennutzung des Menschen sind) ein öffentliches Interesse an Ökologie ergeben, und damit hat der Begriff auch ins Alltagsvokabular Eingang gefunden. “ ‘Ökologie’ steht nicht nur für eine Wissenschaft, sondern auch für einen ganzen Komplex von Werthaltungen, steht für eine Weltanschauung und ein Lebensgefühl.”6 Hier gilt dann die Sorge der Erhaltung eines Zustandes der realen Ökologie, der auch eine Unversehrtheit unserer eigenen Lebensgrundlagen gewährleistet, und diese Sorge hat sich ja schon in vielfältiger Form in der Umweltschutzpolitik (neuerdings: Politik der nachhaltigen Entwicklung), vor allem aber auch in der Umweltbewegungsszene niedergeschlagen. Normalerweise von bestimmten wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgehend, findet diese Bewegung dann eine Fortsetzung in irgendwelchen politischen Aktionen. Im französischen Sprachgebrauch gibt es dazu die Unterscheidung von “écologues” (die WissenschaftlerInnen) und “écologistes” (die Umweltaktivisten). Als Folge dieser Popularisierung der Ökologie wird das Wort “ökologisch” häufig im allgemeinen Sinne von “allseitig vernetzt” oder ähnlich verwendet. Z.B. sagt Denis de Rougemont: “Ich verstehe diesen Begriff [Ökologie] ... in seinem weitesten Sinne als System des Austauschs und der Interaktion zwischen Natur, Stadt, Personen.”7 Mit der Erwähnung von Menschen in dieser Beschreibung ist aber eigentlich bereits von Humanökologie die Rede.

Anmerkungen

1
Hans Joachim Müller 1984: 14.
2
Vgl. Gerald Young 1974: 4.
3
In Ernst Haeckel 1886: 286.
4
Vgl. Müller 1984: 19 ff.
5
Müller 1984: 17.
6
Ludwig Trepl 1994: 12.
7
Denis de Rougemont 1980: 296.