Wir beschränken uns auf zwei Dinge, die für uns relevant sind: Einerseits gibt es gewisse Entwicklungen in der Ökologie, die auch für die heutige Humanökologie von Interesse sind, und andererseits liegen verschiedene Ansätze für eine biologisch verstandene Humanökologie vor. Wenden wir uns zuerst den Entwicklungen in der Ökologie zu.
Wir haben erwähnt, wie Haeckel unter dem Eindruck der Evolutionslehre Darwins eine erste Vorstellung von Ökologie entwickelte. Dabei war die Leitvorstellung die, ein Umweltzustand sei vorgegeben und ein Organismus würde auf hauptsächlich passive Art auf Variablen dieser Umwelt reagieren, so dass daraus in relativ gesetzmässiger Weise materielle, d.h. physikalische, chemische oder physiologische Beziehungen resultierten. Es war dann Jakob von Uexküll, der in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts eine alternative Vorstellung entwickelte: Ein Organismus ist ein durchaus aktives Wesen, das sich nicht einfach an seine Umwelt anpasst, sondern diese auch seinen Bedürfnissen entsprechend
verändert.11Siehe Jakob von Uexküll 1973 (erstmals 1928 publiziert).
Diese Auffassung ist heute wohl weitverbreitet - so z.B. auch bei Lee Freese, der sagt: “By the mere process of living, organisms change the very conditions upon which they depend for
subsistence”12Lee Freese 1988: 71.
-, hat aber immer noch gegen die neodarwinistisch inspirierte Biologie anzutreten, die der natürlichen Selektion im Prozess der Evolution ein zu grosses Gewicht
beimisst.13Den beiden genannten unterschiedlichen Auffassungen über die ökologische Rolle der Umwelt entsprechend stellt Helmut Knötig 1972 eine "Haeckelsche Umwelt" einer "Uexküllschen Umwelt" gegenüber.
Die genannte Wechselwirkung ist möglich, weil die Organismen, mindestens die Tiere, eine Innenwelt haben mit der Fähigkeit, Merkmale der Umwelt als für sie bedeutungsvoll zu erkennen und daraufhin dazu passend in ihr wirksam zu werden - Uexküll macht also einen wichtigen Schritt über eine Ökologie als Beziehungslehre hinaus und etabliert sie als
Bedeutungslehre.14Zur Gegenüberstellung der Ökologie als Beziehungslehre einerseits und Bedeutungslehre andererseits siehe die ausführliche Darstellung bei Parto Teherani-Krönner 1992: 27 ff. Hartmut Wehrt und Thure von Uexküll (ein Sohn Jakobs) 1996 betonen, dass damit die Bedeutung nicht etwas ist, das erst in der menschlichen Kultkurgeschichte auftritt, sondern schon als nicht quantifizierbarer Naturfaktor eine Rolle spielt.
Sein grundlegendes Schema ist das des Funktionskreises, der die Umwelt als “Merkwelt” über das “Merkorgan” (Wahrnehmungsorgane) und das “Wirkorgan” (Erfolgsorgane) des betreffenden Tieres zurück zur Umwelt als “Wirkwelt” verbindet (siehe Abbildung 1). Die Folgerung: “Das Lebewesen selber ist mit seinem Organismus und seiner Umwelt eine unteilbare
Ganzheit.”15Wehrt und Uexküll 1996: 237.
Ein Tier reagiert also nicht einfach roboterhaft-mechanisch auf Umwelteinflüsse, sondern es hat bereits einen Subjektstatus, der somit nicht dem Menschen vorbehalten ist. Was sich hier schon vorgezeichnet vorfindet, äussert sich dann später beim Menschen lediglich in übersteigerter Form.