Über das Warum der Entstehung einer hemisphärischen Spezialisierung gibt es spekulative Vermutungen (vgl. mit Springer und Deutsch 1985). Man denkt dabei an einen Zusammenhang mit der Entwicklung von Sprache und Werkzeuggebrauch. Danach hätte sich die linke Hirnhälfte allmählich als besser in der Generierung von rasch sich ändernden motorischen Mustern erwiesen, Muster, wie sie bei der feinen Kontrolle von Bewegungen der Hände und der Sprachorgane vorkommen. Mit dieser Spezialisierung aber wäre die früher in beiden Hälften vorhandene Fähigkeit zur Verarbeitung räumlicher Information links verloren gegangen. Um dieses Defizit auszugleichen, hätte sich danach die rechte Hälfte dafür besonders spezialisieren müssen.
Auch für die genannten Geschlechtsunterschiede im Grad der Lateralisierung ist eine mögliche evolutionäre Grundlage diskutiert worden. Die Argumentation geht wie folgt: Männer waren im ganzen Verlauf der hominiden Entwicklung Jäger und Leiter von Wanderungen, und in dieser Funktion hatten diejenigen mit guten visuellen und räumlichen Fähigkeiten einen selektiven Vorteil. Gleichzeitig waren Frauen einem selektiven Druck bezüglich Fähigkeiten ausgesetzt, die für die Kinderfürsorge und den sozialen Zusammenhang der Gruppe eine Rolle spielen, insbesondere dem Sprachgebrauch als Mittel der Kommunikation. Wenn dem so ist, hätte eine stärkere Bilateralisierung der Hirnfunktionen diejenigen Fähigkeiten positiv beeinflusst, die für Frauen wichtig waren, eine Ausprägung von stärkeren einseitigen Spezialisierungen dagegen diejenigen, die für Männer ausschlaggebend waren.