www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Lebensstil

2.2 Werte

Werte bezeichnen erwünschte Endzustände und sind damit grundlegende Leitlinien des Handelns, sie verleihen ihm seinen Sinn. Es gibt einen gewissen Streit um die Frage, ob Werte etwas absolut Gegebenes sind, das es zu entdecken gilt, oder es sich dabei bloss um je kulturspezifische Konstrukte handelt. Heute wird fast ausschliesslich für das letztere votiert. Z.B. sagt Hillmann: “Werte sind kulturell typisiert, d.h. sie haben im Zuge geschichtlicher Entwicklungsprozesse innerhalb einer Kultur eine bestimmte Ausprägung, Eigenart und handlungsbestimmende Kraft gewonnen.”1 Aber auch hier haben wir es wieder mit einer Wechselwirkungssituation zu tun:
Werte sind nicht nur kulturell typisiert, sondern wirken zugleich kulturprägend: sie manifestieren sich in Ideen, Symbolen, in den moralischen und ästhetischen Normen, in Verhaltensregeln; sie objektivieren sich in mannigfaltigen Schöpfungen des Menschen - bis hin zu den konkreten, oftmals nur der sogenannten Zivilisation subsumierten Werken der Technik, Wirtschaft und Konsumwelt.2
Wenn wir Werte ausschliesslich als kulturrelative Gebilde betrachten, würde das auch heissen, dass alles, was wir an der Natur wertvoll finden, bloss unsere Zuschreibung ist. Was hat es dann mit den in der umweltethischen Diskussion postulierten Eigenwerten der Natur auf sich? Die meisten würden wohl antworten, dass es sich dabei einfach um ein rational-argumentativ gefundenes Resultat handelt, das sich aus der Logik einer ökozentrischen (statt anthropozentrischen) Perspektive ergibt. Es sind immer noch Menschen, die die Vorstellung eines Eigenwertes der Natur entwickeln. Es gibt allerdings eine Minderheit, die der Meinung ist, dass Werte sich gefühlhaft-intutiv erfassen lassen, dass sich da also etwas vorfindet, das auf uns eine Wirkung hat. Wir erinnern uns, dass z.B. der norwegische Ökophilosoph Arne Naess die Auffassung vertritt, dass sich bei einem ganzheitlichen Zugang zur Welt Fakten und Werte nicht voneinander trennen lassen (vgl. 3.6 in “Weltbilder”).
Jedenfalls aber: Eine soziale Ordnung wird wesentlich durch Werte stabilisiert: “Werte erweisen sich ... als das entscheidende Fundament für das sinnvoll koordinierte, aufeinander abgestimmte und wechselseitig berechenbare soziale Handeln.”3 Dieses Fundament ist uns meist, wenn überhaupt, höchstens teilweise bewusst, denn wir haben im Laufe der Sozialisation Werte verinnerlicht und gewissermassen zu einem Teil unserer Persönlichkeit gemacht. Je nach Intensität dieser Internalisierung können Werte geradezu “die Qualität von Motiven mit Quasi-Instinktcharakter” annehmen. Gerade deshalb aber können wir nicht unbedingt viel dazu sagen, wenn wir nach unseren Werthaltungen gefragt werden - das kommt uns oft zu abstrakt vor. Sie wirken sich aber über Gefühlslagen und Motivationen auf unser praktisches Bewusstsein aus und sind deshalb handlungsleitend.4
Allerdings ist auch zu sagen, dass der Weg von Werten zu Handlungen üblicherweise nicht ein sehr direkter ist, sondern über verschiedene Zwischenstufen erfolgt. Schon die Werte selber ordnen sich hierarchisch: Eine übergeordnete Ebene wird von Werten eingenommen, die Ziele oder erstrebenswerte Zustände wie angenehmes Leben, eine friedliche Welt, Gleichheit, innere Harmonie, Selbstachtung, wahre Freundschaft und dgl. bezeichnen. Sie werden oft “Terminalwerte” genannt. Darunter befinden sich Werte, die sich auf Mittel beziehen, mit denen die Ziele angesteuert werden können - sie heissen deshalb “instrumentelle Werte”. In der gesellschaftlichen Alltagswelt äussern sich Werte in der Form von sozialen Normen und auch Sanktionen, während sie sich bei den Individuen als objekt- und situationsbezogene Einstellungen und Motivationen bemerkbar machen.5

Anmerkungen

1
Hillmann 1989, 54. Vgl. auch 57.
2
Hillmann 1989, 54.
3
Hillmann 1989, 55.
4
Vgl. Hillmann 1989, 55, 56, 62.
5
Siehe Hillmann 1989, 58-59.