www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Ökonomisches

7.1.2 Der eigentumsrechtliche Ansatz

Der wohlfahrtsökonomische Ansatz betrachtet ökologische Probleme im wesentlichen als Situationen mangelnder Effizienz in der Allokation ökonomischer und natürlicher Ressourcen. Insofern dabei das Verursacherprinzip eine Rolle spielt, ist auch ein Ort der Verantwortung für die Externalitäten festgelegt. Nun hat Ronald Coase in Gegenstellung zu Pigou den Vorschlag gemacht, die Verantwortungsverhältnisse nicht als von vorneherein entschieden zu betrachten, sondern die Reziprozität externer Effekte zu berücksichtigen.287 Was ist damit gemeint?
Beim wohlfahrtstheoretischen Ansatz ist Wirtschaftssubjekt A, wenn es ökonomische Aktivitäten verfolgt, die für Wirtschaftssubjekt B schädlich sind, Verursacher der externen Effekte. Die Lösung des Problems besteht darin, dass A diese Aktivitäten auf ein für B eträgliches Mass reduziert, was, wie dargelegt, über eine nach dem Verursacherprinzip funktionierende Steuer erreicht wird. Nach Coase ist die Legitimität dieser Zuweisung in Frage zu stellen. Zwar kann nicht bestritten werden, dass B Schaden erleidet, aber umgekehrt kann ebenso gut argumentiert werden, dass eine Internalisierung A ein Opfer auferlegt, bzw. seine individuelle Handlungsfreiheit einschränkt. So gesehen können die Verursachung und die Schädigung hier wie dort lokalisiert werden und wie das Problem zu lösen ist, ist über eine beidseitige Kosten-Nutzenanalyse zu eruieren. Mit anderen Worten, es sollen nicht nur die externen Kosten, die bei A anfallen, sondern auch die Verluste berücksichtigt werden, die eine Reduktion des Aktivitätsniveaus von B zur Folge hat.288 Die Konsequenz:
Wenn es eine einzige Art der effizienten Verwendung ökonomischer und natürlicher Ressourcen gibt und die gesellschaftliche Priorität der ökonomischen Effizienz anerkannt wird, d.h. moralischen Fragen mit objektiven Effizienzkriterien begegnet wird, dann müsste sich daraus unmittelbar und unbestreitbar die Möglichkeit politischer Reformen ergeben, die letztlich konsensfähig wären.289
Doch kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Verhältnisse in diesem Sinne immer eindeutig sind, bzw. deren Lösung, auch wenn sie es sind, einfach durchgesetzt werden kann. Es ist damit zu rechnen, dass zu einem Konfliktbereinigungsverfahren Zuflucht genommen werden muss. Dabei spielen die vorhandenen Eigentumsrechte eine entscheidende Rolle. Ein Eigentumsrecht kann als ein exklusives, von der Rechtgebung sanktioniertes Handlungsrecht verstanden werden.290 Betrachten wir das folgende wiederum fiktive Beispiel, bei dem ein Chemie- und eine Fischereibetrieb beteiligt sind.291 Tab.3 und 4 zeigen die Kostenstruktur der beiden Betriebe. In beiden Fällen werden linear ansteigende Grenzkosten angenommen.
Tabelle 3: Fiktives Beispiel zur Illustration des eigentumsrechtlichen Ansatzes: Kostenstruktur des Chemiebetriebs (nach Furger 1994, 56)
Produktion
Gesamtkosten (Fr)
Grenzkosten (Fr/kg)
Emissionen
Fischverluste
Externe Grenzkosten (Fr/kg)
3
34
 
3
0
 
   
21
   
0
4
55
 
4
0
 
   
27
   
0
5
82
 
5
0
 
   
33
   
11
6
115
 
6
1
 
   
39
   
22
7
154
 
7
2
 
   
45
   
33
8
199
51
8
3
 
Tabelle 4: Fiktives Beispiel zur Illustration des eigentumsrechtlichen Ansatzes: Kostenstruktur des Fischereibetriebs (nach Furger 1994, 57)
Fischertrag (kg)
Gesamtkosten (Fr)
Grenzkosten (Fr)
4
42
 
   
8
5
50
 
   
10
6
60
 
   
12
7
72
 
   
14
8
86
 
Die Ausgangssituation sehe so aus, dass der Preis für die chemischen Produkte Fr. 30 pro kg, derjenige für die Fische Fr. 11 pro kg betrage, was, den Grenzkosten entsprechend, ein Produktionsniveau von 5 kg beim Chemie- und von 6 kg beim Fischereibetrieb zur Folge hat. Nun steige der Preis der Chemieprodukte auf Fr. 36 pro kg, womit sich für das Unternehmen eine Ausweitung der Produktion auf 6 kg lohnt. Damit aber wird bezüglich der Gewässerbelastung - der Chemiebetrieb entlässt seine Abwässer in den Fluss - eine Schwelle überschritten, was sich beim Fischer in einer Ertragseinbusse von 1 kg Fisch bzw. von Fr. 11 bemerkbar macht. Falls dieser ein Klagerecht hat, kann das Verursacherprinzip zum Zuge kommen, d.h. der Fischer wird vom Chemiebetrieb entsprechenden Schadenersatz fordern. Diese Vergütung wird nun zu einem neuen Element in der Kostenkalkulation des Chemieunernehmens: Die Erhöhung der Produktion von 5 auf 6 kg verursacht zusätzliche Kosten von Fr. 44, die sich aus internen (Fr. 33) und externen Grenzkosen (Fr. 11) zusammensetzen. Gelöst werden kann für das zusätzlich produzierte kg aber nur Fr. 36 (es wird angenommen, dass die Konkurrenzsituation eine Überwälzung der zusätzlichen Kosten auf den Preis nicht gestattet). Die erhöhte Produktion ist somit nicht mehr rentabel und der Betrieb kehrt wieder zum Ausgangsniveau zurück.
Wie sieht es nun aber aus, wenn der Fischer kein Klagerecht hat? Dann kommt eine Verhandlungslösung in Frage. Der Fischer kann anbieten, den Chemiebetrieb für eine umweltverträgliche Senkung der Produktion zu kompensieren. Da sein Verlust 1 kg bzw. Fr. 11 beträgt, kann er dem Chemieunternehmen für eine Produktionserniedrigung maximal Fr. 11 offerieren. Dies veranlasst dort die folgende Überlegung: Bei einem Produktionsniveau von 6 kg ergeben sich Fr. 36 zusätzliche Bruttoeinnahmen, was aber Netto nur Fr. 3 entspricht (Differenz zwischen Preis und zusätzlichen Kosten von Fr. 33). Wird dagegen die Produktion auf 5 kg reduziert, können aus der Kompensation des Fischers bis Fr. 11 zusätzlich gelöst werden. Allerdings wird ein ökonomisch denkender Fischer nicht gleich mit dem Maximalangebot, sondern mit einer tieferen Offerte einsteigen. Im vorliegenden Beispiel wäre ja für den Chemiebetrieb jedes Angebot, das über Fr. 3 liegt, interessant.
Coase möchte mit solchen, eine Verhandlungslösung betreffenden Überlegungen zeigen, dass eine effiziente Allokation ökonomischer Ressourcen auch ohne staatliche Intervention gewährleistet werden kann. Dabei wird die Festlegung von Verantwortungsverhältnissen selbst einer ökonomischen Analyse unterworfen. Insofern unterscheidet sich dann der von Coase propagierte Ansatz nicht von der wohlfahrtstheoretischen Tradition, indem in beiden Fällen die ökonomische Effizienz zum einzigen relevanten politischen Entscheidungskriterium erhoben wird.292

Anmerkungen

287
Siehe Ronald Coase 1960.
288
Vgl. Furger 1994, 53 ff., 62. Siehe auch Schütz 1990, 106 ff.
289
Furger 1994, 44.
290
Dementsprechend weist Schütz (1990, 106-107) darauf hin, dass der Begriff “Eigentumsrechte” eigentlich irreführend sei und durch “Verfügungsrechte” ersetzt werden sollte.
291
Nach Furger 1994, 58 ff. Vgl. auch mit der Diskussion in Frey 1985, 46 f.
292
Siehe Furger 1994, 63.