www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Ökonomisches

5.4.1 Der Merkantilismus und der Binnenmarkt

Der Merkantilismus geht in seinen Ursprüngen auf das 14. Jh. zurück, erreicht seinen Höhepunkt aber im 17. und 18. Jh. Er entwickelt sich als staatlich kontrolliertes Wirtschaftssystem parallel zum politischen System des Absolutismus233 und zur Schaffung von Nationalstaaten und hat auch ein politisches Ziel: Die Verstärkung der Macht. Während der Zeit des Feudalismus verfügten die zentralen Herrscher zwar über das Bodenmonopol, aber sie konnten keinen Gewinn in einer Grössenordnung daraus ziehen, der ihnen zu einer starken Position verholfen hätte. Die Folge war eine stark dezentralisierte Struktur der politischen Gebilde. Jetzt aber gelingt es den Zentralherren, zusätzlich zum Bodenmonopol das Gewalt- und das Steuermonopol zu erwerben. Damit können sie nun ein Heer und eine Verwaltung finanzieren und sie haben die physische Macht, um die Steuern einzutreiben. Entsprechend ist das merkantilistische Wirtschaftsgebaren darauf gerichtet, die Binnenwirtschaft zu fördern und nach aussen eine positive Handelsbilanz zu schaffen. Es wird versucht, dies mit Hilfe von diversen protektiven Massnahmen wie staatlich garantierten Produktions- und Absatzmonopolen, Festsetzung von Lohn- und Preislimits, Import- und Exportverboten, Bildung von staatlichen und halbstaatlichen Betrieben u.a. zu erreichen.
Bis anhin waren sowohl der lokale wie auch der Fernhandel eine protektionistische Angelegenheit der Städte gewesen - Polanyi redet vom “Partikularismus des örtlichen und interurbanen Handels”. Im Zuge der politischen Territorialisierung und Zentralisierung wird nun durch planmässige staatliche Eingriffe ein nationaler Binnenmarkt geschaffen, bei dem nun gleiche oder ähnliche Güter aus verschiedenen Quellen in Konkurrenz zueinander angeboten werden. Dies geschieht durch einen Abbau der vielen lokal und regional existierenden Restriktionen, Zollschranken und Verbote und durch eine Ausdehnung des städtischen Systems auf das ganze nationale Territorium. In Frankreich z.B. wird das Zunftsystem auf das ganze Land ausgeweitet. Andererseits aber nehmen die Regulierungen im gesamtstaatlichen Rahmen zu.

Anmerkungen

233
Absolutismus: Im Europa des 17. und 18. Jh. vorherrschende Staatsform, bei der ein Monarch die unumschränkte Macht ausübt.