www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Ökonomisches

5.4 Vom Merkantilismus zum Industriekapitalismus: Der Weg zur neuzeitlichen Marktwirtschaft

In der heutigen kapitalistischen Wirtschaft spielt das im wesentlichen abstrakte Konzept des Marktes im Sinne der “Marktwirtschaft” eine beherrschende Rolle. Im Gegensatz zu den Formen der Wirtschaft in früheren Gesellschaftstypen, in denen diese in die sozialen Beziehungen eingebettet waren, sind jetzt, wie Polanyi treffend bemerkt, die sozialen Beziehungen in das Wirtschaftssystem eingebettet.232 Wie ist dieser Markt im modernen Sinne des Wortes entstanden? Polanyi zeigt für Westeuropa, dass er nicht eine Folge der Weiterentwicklung des lokalen und/oder des Fernhandels sein kann, denn weder die eine noch die andere Art von Markt ist auf eigentlichen Wettbewerb eingestellt. Auf den lokalen Märkten werden Güter der Region gehandelt, die sich nicht zum Transport eignen, weil sie zu schwer, zu gross oder leicht verderblich sind, auf den Messen als Fernmärkten dagegen Waren aus fremden Ländern, die geographische Entfernungen überwinden können (vgl. 5.3.2). Beide Arten des Handels finden im Rahmen von organisierten Stadtgemeinden statt und sind streng voneinander getrennt. Während für den Lokalhandel strenge Vorschriften (z.B. zwecks Schutz gegen hohe Preise) gelten, bleibt der Fernhandel solchen Regulierungen entzogen. Es ist aber, gewissermassen kompensierend, möglich, fremde Kaufleute vom lokalen Markt fernzuhalten, indem ihnen der Einzelhandel völlig verboten wird. Zwischen diese beiden Handelstypen schiebt sich dann im Zuge der Errichtung der merkantilen Systeme der national ausgerichtete Binnenhandel, der jetzt wettbewerbsorientiert ist. Werfen wir einen Blick auf die Merkmale dieser Systeme.

Anmerkungen

232
Siehe Polanyi 1977, 81.