www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Ökonomisches

4.2 Münzen und ihre politische Bedeutung in der Antike

Es ist anzunehmen, dass auch in prähistorischen Zeiten solche Tauschmittel wie die oben erwähnten schon da und dort verbreitet waren.140 Sicher scheint, dass mit der Entstehung frühpolitischer und dann eigentlicher politischer Gesellschaften, zeitlich gesehen seit etwas über 4000 Jahren, drei Metalle, nämlich Silber, Kupfer und Gold, als Tauschmittel Gebrauch fanden. Meist spielte Silber die Hauptrolle, nur während kürzerer Perioden, z.B. in der mykenischen Zeit Griechenlands (ungefähr 1600-1200 v.u.Z.), nahm Gold den ersten Platz ein.141 Aus der homerischen Zeit ist auch bekannt, dass bestimmte Gegenstände aus Edelmetall wie Spiesse, Beile und Becken als Wertmesser galten.142 Es war aber schwierig, sich über Quantität und Qualität solcher Zahlungsmittel genauere Rechenschaft abzulegen, und es konnte auch nicht sehr praktisch sein, Metalle in Pulver- oder Klumpenform in Zahlung zu nehmen und auf ihre Eigenschaften hin zu prüfen. Irgendwann kam die Idee auf, aus dem Metall Münzen von bestimmtem Gewicht herzustellen. Nach dem griechischen Historiker Herodot (ca. 484 bis ca. 425 v.u.Z.) hat diese Innovation bei den Königen von Lydien im westlichen Kleinasien in der zweiten Hälfte des 8. Jh. v.u.Z. stattgefunden. Es ist aber möglich, dass es in Indien schon ein paar hundert Jahre früher Münzen gab - hinduistische Epen scheinen darauf hinzuweisen -, und der Historiker Hugh Thomas erwähnt, dass die Hethiter schon um 1500 v.u.Z. Silbermünzen geschlagen hätten. In der Folge breitete sich das Münzwesen relativ rasch aus und wurde z.B. im alten Griechenland zu einer eigentlichen Kunstform (vgl. Abb. 10).143 In allen antiken Staaten lag das Monopol für die Münzprägung beim Staat. Dieser war aber nicht dazu verpflichtet, eine ausreichende Versorgung zu unterhalten, es sei denn, er brauchte das Geld selbst, meist für Zahlungen an die Truppen. Insgesamt herrschte ein chronischer Mangel an Münzen.144 Dieser erklärt wohl, warum die Wirtschaft der Antike immer noch zu einem guten Teil geldlos vor sich ging. “Um 222 v.Chr. konnte der Preis einer Ware in Silber angegeben, aber in Tuch, Bronzegegenständen oder Bier bezahlt werden,” meint Thomas.145 Und er erklärt wohl ebenso, warum auch bald einmal Möglichkeiten des Betrugs entdeckt wurden:
Für Herrscher, die es mit der Moral nicht allzu genau nahmen oder in finanziellen Schwierigkeiten steckten ..., erschien es oft geradezu als ein Wink des Schicksals, das Münzgewicht zu verringern oder billigeres Messing einzuschmelzen, in der Hoffnung, dass es niemandem auffallen würde - jedenfalls nicht sofort. Auf diese Weise konnte man mit weniger Silber oder Gold dasselbe oder mit demselben Feingehalt um so mehr kaufen. Ebenso bot sich dem geschäftstüchtigen Handelsmann die Möglichkeit, nach Abschluss eines Vertrages jeweils ein paar Milligramm von den Münzen, die er zu entrichten hatte, abzuschaben.146
Und natürlich wurde auch Falschmünzerei schon früh betrieben.147 Hinsichtlich der Knappheit gab es allerdings auch Ausnahmen, nämlich dann, wenn z.B. durch eine Eroberung Gelegenheitsgewinne gemacht werden konnten. Dies war z.B. nach dem Tod Alexanders des Grossen (323 v.u.Z.) der Fall, als durch das Ausmünzen eroberter persischer Schätze ein Überfluss an Goldmünzen bestand, und zwar in einem solchen Ausmass, dass eine allgemeine Geldentwertung die Folge war.148
Abbildung 10: Ein um 510 v.u.Z. unter dem athenischen Tyrannen Hippias gemünztes 4-Drachmen-Stück, das seiner Qualität wegen bald zum geschätztesten Geldstück des Mittelmeergebietes wurde. Auf der einen Seite zeigte es den Kopf der Göttin Athena, auf der anderen Athenas Symbol, die Eule. Im späteren 5. Jh. v.u.Z. entsprach der Wert dieser Münze etwa dem Lohn für 4 Tage Arbeit eines gelernten Arbeiters (aus Forrest 1972, 187)
Abbildung 10: Ein um 510 v.u.Z. unter dem athenischen Tyrannen Hippias gemünztes 4-Drachmen-Stück, das seiner Qualität wegen bald zum geschätztesten Geldstück des Mittelmeergebietes wurde. Auf der einen Seite zeigte es den Kopf der Göttin Athena, auf der anderen Athenas Symbol, die Eule. Im späteren 5. Jh. v.u.Z. entsprach der Wert dieser Münze etwa dem Lohn für 4 Tage Arbeit eines gelernten Arbeiters (aus Forrest 1972, 187)
Im alten Rom gab es drei Möglichkeiten, erworbenen Reichtum anzulegen, nämlich Land zu kaufen, kurzfristige zinstragende Darlehen zu geben, oder aber das Geld in einer Kassette oder Truhe zu horten. Leute, die Kredite aufnahmen, verwendeten diese aber kaum jemals für geschäftliche Zwecke. Auch eine eingehende Studie des griechischen Bank- und Kreditwesens hat nur zwei solche Fälle zutage gefördert, wobei der eine davon noch zweifelhaft ist.149 Auch bei den Römern erfolgten Kreditaufnahmen normalerweise nicht für Produktions-, sondern für Konsumzwecke oder aber auch zur Finanzierung einer politischen Karriere, mit der Erwartung, aus den ökonomischen Vorteilen, die ein erfolgreicher Aufstieg bieten würde, die Schulden wieder zurückzahlen zu können. Dabei wurde auch vor Bestechungen nicht Halt gemacht.150 Bemerkenswert beim antiken System des Geldverleihs war, dass Geld immer bare Münze bedeutete. Mit anderen Worten, es gab keinerlei Verfahren zur Kreditschöpfung mit Hilfe von übertragbaren Wertpapieren. Auch mussten Zahlungen immer in barer Münze vorgenommen werden; nach griechischem Recht waren Käufe solange nicht gesetzlich bindend, bis der Kaufpreis in vollem Umfang bezahlt war.151 Die Zinssätze blieben mit Ausnahme von Schwankungen infolge von Naturkatastrophen oder kriegerischen Ereignissen über längere Zeit lokal ziemlich stabil. Auf alle Fälle gab es hier kein Spiel von Angebot und Nachfrage, von einem “Geldmarkt” in der Antike kann nicht die Rede sein.152 Aristoteles übrigens, ganz in Übereinstimmung mit seiner Unterscheidung von Ökonomik und Chrematistik (vgl. 5.3.1), fand, die Institution des Zinsnehmens sei etwas Widernatürliches. Es ist die naturgemässe Funktion des Geldes, als Tauschmittel zu dienen, also als ein Mittel zum Zweck, und nicht als Selbstzweck, was eine Entartung darstellt. Die Existenz von Zins bedeutet, dass sich das Geld aus sich selbst heraus vermehrt, während doch in Wirklichkeit Geld als tote Substanz kein Geld gebären kann.153

Anmerkungen

140
Nach Creighton Gabel 1967, 51.
141
Nach Galbraith 1976, 17.
142
Vgl. Weber 1989, 112.
143
Siehe Galbraith 1976, 17-18, Weber 1989, 112-113, und Thomas 1984, 226.
144
Vgl. Finley 1977, 194-195.
145
Hugh Thomas 1984, 226.
146
Galbraith 1976, 18.
147
Nach Galbraith 1976, 18.
148
Vgl. Finley 1977, 236, und Ebert u.a. 1984, 56-57.
149
Nach Finley 1977, 134, 166. Hinsichtlich der Kreditverwendung verweist der Autor auf die Arbeit von R. Bogaert 1968.
150
Nach Furger 1994, 184; ausführlich bei Finley 1997, 53 ff.
151
Siehe Finley 1977, 165-166.
152
Vgl. Finley 1977, 168; siehe auch Sée 1948, 13-14.
153
Nach Studer 1987, 29-30.