www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Ökonomisches

7 Die Berücksichtigung der natürlichen Umwelt

Die standardökonomische Theorie tut grossenteils so, als ob die Wirtschaft eine Welt für sich wäre, von nichts anderem abhängig, auch nicht von den Naturgrundlagen.275 In neuerer Zeit hat sie immerhin zu anerkennen begonnen, dass das wirtschaftliche Tun Umweltschäden verursacht, die andere Wirtschaftssubjekte oder die Öffentlichkeit allgemein belasten, d.h. ihnen Kosten auferlegen. Die Beschreibung zeigt, dass dies einer anthropozentrischen Sichtweise entspricht: Nicht der Zustand der Umwelt an sich interessiert, sondern nur die Frage, ob ein Teil der Gesellschaft von diesem Zustand beeinträchtigt wird. Das Umweltproblem wird so als soziales (i.w.S.) Problem interpretiert. Wollen wir darüber hinausgehen, brauchen wir eine Verlagerung zu einer ökozentrischen Perspektive, in der den “Dingen” der natürlichen Umwelt Eigenwerte (d.h. Werte ohne Bezug zu irgendeinem menschlichen Nutzen) zugeschrieben werden.276 Jedenfalls aber wird das Isolationsdenken aufgegeben und zugegeben, dass das Wirtschaftssystem in einem existentiellen Austauschverhältnis mit der natürlichen Umwelt steht. In grober Skizzierung kann dieses Faktum als Input-Output-Situation mit vier Sektoren dargestellt werden (siehe Abb.23). Sektor A stellt den reinen Wirtschaftsbereich dar, den wir uns bei detaillierterer Betrachtung in die Verflechtungen zwischen einzelnen Branchen und zwischen Produktion dieser Branchen und dem Konsum aufgelöst vorstellen können. Sektor B umfasst die Output-Auswirkungen der wirtschaftlichen Tätigkeiten auf die Umwelt, also die Produktion von Abfall und Emissionen. Sektor C beschreibt die vom Wirtschaftssystem aus der Umwelt in Anspruch genommenen Dienstleistungen, d.h. die Verwendung natürlicher Ressourcen. Je nach Zustand der Umwelt können dabei auch negative Einflüsse auf die Ökonomie eine Rolle spielen. Sektor D schliesslich enthält die ökosystemischen Zusammenhänge der Umwelt (z.B. die Transformationen, die über Nahrungsketten laufen), die in einer längerfristigen Perspektive dafür sorgen, dass diese das Wirtschaftssystem weiterhin mit Ressourcen versorgen und dessen Abfälle und Emissionen absorbieren kann - oder aber eben bei zunehmender Belastung überfordert wird.277
Abbildung 23: Einfaches Input-Output-Modell der Beziehung zwischen Wirtschaft und (natürlicher) Umwelt (nach Pillet 1993, 161, basierend auf Daly 1968)
Abbildung 23: Einfaches Input-Output-Modell der Beziehung zwischen Wirtschaft und (natürlicher) Umwelt (nach Pillet 1993, 161, basierend auf Daly 1968)
Die Frage ist nun, in welcher Form die Berücksichtigung der Umwelt aufgegriffen wird. Die Umweltökonomie wählt dazu eine Ausdehnung des ökonomischen Kalküls auf Umweltgüter, während die ökologische Ökonomie gewissermassen umgekehrt das Wirtschaftssystem als Subsystem der umfassenderen irdischen Ökologie zu verstehen versucht. In beiden Ansätzen gibt es verschiedene Varianten; hier können wir nur einige der grundlegenden Aspekte darstellen.

Anmerkungen

275
Vom amerikanischen Politologen John Dryzek wird die ökologische Blindheit der Ökonomie mit einer Titanic-Metapher glossiert: “Many ecologists are aware of icebergs in the vicinity, and seek to convince us that the ship of state chart a course to avoid them. Most economists would be more concerned with ensuring a utility-maximizing arrangement of deckchairs” (Dryzek 1987, ix).
276
Vgl. Herman E. Daly 1994, 154.
277
Vgl. Gonzague Pillet 1993, 160-161. Siehe auch die davon etwas abweichende Interpretation bei Bruno S. Frey 1985, 18-19.