www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Ökonomisches

2.4 Arbeit im Industriekapitalismus der neuzeitlichen ökonomischen Gesellschaft

In den vorindustriellen Gesellschaften ist der weitaus grösste Teil der Arbeitskräfte (bis zu 80%) in der Landwirtschaft tätig. Wie kann auf dieser Basis eine industrielle Revolution, deren Folge dann schlussendlich die moderne ökonomische Gesellschaft ist, überhaupt stattfinden? Solange nicht eine erhöhte Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft bisher benötigte Arbeitskräfte freisetzen kann, ist dies auch gar nicht möglich.84 So stellt sich Mogens Boserup die Frage: “Gibt es Beispiele für einen erfolgreichen take-off85 ohne eine vorhergegangene oder gleichlaufende Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und Produktivität?” Und gibt die Antwort: “Es scheint nicht.”86 Damit ist aber nicht gesagt, dass die Landwirtschaft hinsichtlich der Industrialisierung ein “führender Sektor” ist; tatsächlich ist deren Intensivierung nicht eine ausschlaggebende, sondern z.T. eher eine Begleiterscheinung.87 Es muss also andere Faktoren geben, die auf die Schaffung eines Arbeitskräfte-Reservoirs einen massgeblichen Einfluss haben.

Anmerkungen

84
Vgl. Simon Kuznets 1972, 20.
85
Mit “take-off” wird üblicherweise der Vorgang bezeichnet, der ein Entwicklungsland in Richtung eines Industrielandes verändert. Er findet aber auch Anwendung bei der Charakterisierung des historischen Prozesses der Industrialisierung.
86
Mogens Boserup 1972, 310.
87
Vgl. Boserup 1972, 310-312.