www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Politisches

6.3.3 Bioregionale Organisation

Zu einer Gemeinschaft, die sich stark in einem regionalen oder lokalen Rahmen organisiert, gehört auch die entsprechende territoriale Verankerung, d.h. auch eine ausgeprägte Orientierung an den natürlichen Gegebenheiten des zugehörigen Lebensraumes. Nur so, durch direkte Kontakte und Erfahrungsmöglichkeiten mit und an der Umwelt, kann die fragliche Bevölkerung genügend sensibilisiert werden und damit auch selbst Verantwortung übernehmen. Seit einiger Zeit kursieren entsprechende Ideen in Nordamerika unter dem Stichwort "Bioregionalismus".242
Unter einer Bio- oder Ökoregion wird ein auf Grund natürlicher Gegebenheiten geographisch begrenzter Raum verstanden, der sich durch ein hohes Mass an politischer Autonomie und wirtschaftlicher Autarkie auszeichnet. Die politische Autonomie soll eine exklusive Kontrolle und Rechtssprechung der regionalen Bevölkerung über die im Gebiet vorkommenden Ökosysteme mit ihren produktiven, protektiven und abfall-assimilierenden Funktionen ermöglichen, wobei auch ein möglichst hohes Mass an gemeinschaftlichem Besitz anzustreben wäre. Möglichst grosse wirtschaftliche Autarkie beinhaltet einen hohen Grad von Selbstversorgung, was eine direkte kreative Auseinandersetzung mit den regional vorhandenen natürlichen Grundlagen erfordert. Die internationale Arbeitsteilung wird also nicht weiter gefördert, sondern stark abgebaut. Was an interregionalem Austausch von Ressourcen bleibt, soll nach Naess dem Gesichtspunkt der Förderung der Selbstbestimmung im Sinne der oben erwähnten Selbstrealisierung untergeordnet sein:
What is suggested through self-reliance is not that all kinds of such communication should cease, but that they should be carried out only if favourable for Self-realisation, and not done as a necessity for satisfying needs that could be satisfied locally just as well.243
Aber auch an der Basis soll der Grad der Arbeitsteilung durch eine berufliche Rotation oder Diversifikation vermindert werden, so dass intellektuelle und physische Arbeit wie auch Industrie und Landwirtschaft einander näherrücken.244 Für die Ressourcengewinnung und -verarbeitung sind ökologisch verträgliche Technologien kleinerer Grössenordnung einzusetzen (z.B. Verwendung von Sonnen- und Windenergie). Und das Prinzip einer möglichst grossen Selbstversorgung (und Dezentralisierung) soll auch für die einzelnen Haushalte gelten, die damit weitgehend "desindustrialisiert" werden können, d.h. sich von Transitstationen, bei denen Konsumgüter hinein- und Abfallprodukte hinausfliessen, zu Orten vermehrter Eigenarbeit zurückverwandeln können.245

Anmerkungen

242
Siehe z.B. Van Andruss u.a. 1990 und Kirkpatrick Sale 1991.
243
Naess 1993, 143.
244
Vgl. Bookchin 1988, 69.
245
Vgl. dazu Hartmut Häussermann 1987, 16. Zu ökoregionalen Strategien siehe auch Gerhard Bahrenberg und Marek Dutkowski 1993.