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Soziales i.e.S.

Soziales

Vorbemerkung
1. Begriffliches
1.1 Was heisst Soziales i.e.S.?
1.2 Begriffsvokabular der Residenz- und Deszendenzregeln
2. Soziale Systeme bei Tier-Primaten
2.1 Paviane
2.2 Orang-Utans
2.3 Gorillas
2.4 Schimpansen
2.5 Bonobos
3. Überlegungen zur sozialen Evolution der Hominiden
3.1 Von der Jagd- über die Sammel- zur Nahrungsteilungshypothese
3.2 Die Hypothese des “Sex-Vertrags“ von Helen E. Fisher
3.3 Das “Stammbaum-Modell” von Robert Foley
4. Die soziale Organisation archaischer und matrizentrischer Gesellschaften
4.1 Die archaische Gesellschaft: Patrilokale/patrilineare Horden ...
4.2 ... oder egalitäre Gemeinschaften?
4.3 Beispiel einer archaischen Gesellschaft: Die !Kung San (Buschleute)
4.3.1 Leben in lokalen Gruppen
4.3.2 Verwandtschaftssysteme
4.3.3 Heirat und Sexualität
4.4 Merkmale matrizentrischer Gesellschaften
4.4.1 Begriffliches
4.4.2 Geschichtliches
4.4.3 Zur Sozialordnung
4.5 Beispiel einer matrizentrischen Gesellschaft: Die Irokesen
4.5.1 Geschichtliches
4.5.2 Die matrilineare Grossfamilie
4.5.3 Der matrilineare Clan
5. Das Soziale in patriarchalen Gesellschaften
5.1 Der Vorgang der Patriarchalisierung
5.1.1 Hypothesen über die Ursachen
5.1.2 Der Vorgang der Patriarchalisierung in vorderasiatischen Gesellschaften
Als historisches Beispiel für den Patriarchalisierungsvorgang betrachten wir vorderasiatische, besonders mesopotamische Gesellschaftsordnungen zur Zeit der sog. Hochkulturen. Lerner hat sich ausführlich damit beschäftigt und ihre Ergebnisse in ihrem Buch “Die Entstehung des Patriarchats” dargelegt.9
Lerner 1991.
Diese fussen, neben anderen Dokumenten, vor allem auf einer Analyse von Gesetzessammlungen aus vier verschiedenen Gesellschaften in einem Zeitraum von etwa 1000 Jahren, nämlich den babylonischen Gesetzen von ca. 1760 v.u.Z. (dem sog. Codex Hammurabi), den mittelassyrischen Gesetzen aus der Zeit vom 15. bis zum 11. Jh. v.u.Z., den hethitischen Gesetzen aus der gleichen Periode und den mosaischen Gesetzen, die zwischen dem späten 9. und dem frühen 8. Jh. v.u.Z. festgehalten worden sind.10
Vgl. Lerner 1991, 135 f.
In der zweiten Hälfte des 3. und der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v.U.Z. galt die Teilnahme von Frauen, mindestens der Elite, am religiösen, politischen und wirtschaftlichen Leben noch als selbstverständlich. Wir finden in dieser Zeit noch Frauen, die mit hohen Ämtern betraut sind. Z.B. hatte die Königin Schagschag, Frau des Königs Urukagina (2351-2342 v.u.Z.) in Lagasch, die gesamte Verwaltung des Tempels und die Aufsicht über das zugehörige Personal (einige hundert freie Männer als Arbeiter sowie Sklavinnen) unter sich.11
Siehe Lerner 1991, 92 f.
Aus königlichen Dokumenten der Stadt Mari aus den Jahren 1810 bis 1760 v.u.Z. geht hervor, dass die Frauen Eigentum haben, Verträge abschliessen, Prozesse anstrengen und als Zeuginnen aussagen konnten.12
Nach Lerner 1991, 97.
leichzeitig ist aber auch schon klar, dass die Herrscher ihre Familie im allgemeinen und die Frauen im speziellen in strategischer Absicht einsetzten, um ihre Macht zu festigen. Das heisst aber auch, dass diese Frauen bereits von ihren Ehemännern oder auch von männlichen Verwandten abhängig waren; sie bezogen ihre eigene Macht aus der Macht der Männer. Ein entscheidender Punkt bestand in der gänzlichen sexuellen Unterwerfung der Frauen durch die Männer. Ob Frauen Machtpositionen erhalten und behalten konnten, war von der diesbezüglichen Zufriedenheit und der Laune der Männer abhängig.13
Nach Lerner 1991, 103-104.
In dieser ganzen Entwicklung gilt, dass Rang und Rolle von Frauen desto strikter und eingeengter definiert werden, je komplexer der Staatsapparat wird. Schon der oben erwähnte Urukagina erliess ein Edikt, das Witwen verbot, wieder zu heiraten, und Frauen vorschrieb, wie sie Männern respektvoll zu begegnen hatten.14
Vgl. Lerner 1991, 94.
Bei den oben erwähnten späteren Sammlungen von Gesetzen fällt auf, dass diese zu einem guten Teil das Sexualverhalten betreffen, wobei die Frauen sehr viel stärker als die Männer eingeschränkt werden. Z.B. sind 26% der Gesetze des Hammurabi und 53% der mittelassyrischen Gesetze diesem Thema gewidmet. Allerdings ist dabei zu beachten, dass mit diesen Gesetzen nicht unbedingt die gängige Praxis angesprochen ist, sondern dass es sich dabei eher um Wertvorstellungen handelt.15
Siehe Lerner 1991, 136.
Die wachsende Unfreiheit für die Frauen zeigt sich in den Eheregelungen. Hier gibt es die Einrichtung des Brautpreises, die hinsichtlich der Frage, ob es sich dabei wirklich um einen Kaufpreis oder nicht doch eher um ein symbolisches Geschenk handle, kontrovers diskutiert wird. Das erstere anzunehmen, was heisst, dass die Frau zur Ware wird, passt aber besser in den allgemeinen Entwicklungstrend. Denn in diesem Trend liegt auch die allmähliche Ablösung einer älteren durch eine neuere Eheform: Bei der ersteren bleibt die Ehefrau noch in ihrem elterlichen Haushalt und ihr Gatte ist hier zeitweiliger oder ständiger Gast. Sie hat damit noch ein gutes Mass an Autonomie und kann auch relativ leicht zu einer Scheidung kommen. Die letztere Form hat nun eindeutig einen patriarchalen Charakter, indem die Frau nun im Hause ihres Gatten lebt, völlig abhängig von seinen Unterhaltsleistungen wird und auf eigene Initiative kaum eine Scheidung erreichen kann. Am deutlichsten zeigt sich wohl das Ausmass der männlichen Dominanz in der Institutionalisierung einer sexuellen Doppelmoral. Danach kann nur eine Frau Ehebruch begehen, da sie Eigentum ihres Mannes ist, und nicht umgekehrt. Und wenn eine Frau eine Abtreibung vornimmt, gilt dies als strafwürdiges Verbrechen, während es dem Vater erlaubt ist, darüber zu entscheiden, ob eine neugeborene Tochter am Leben bleiben soll oder nicht.16
Nach Lerner 1991, 145, 150, 158-159.
Die patriarchale Macht des Mannes ging aber noch weiter: Hatte er Schulden gemacht und konnte diese nicht zurückzahlen, durfte er seine Familie (Frau, Kinder, Konkubinen und deren Kinder, Sklavinnen und Sklaven) bei einem Geldleiher verpfänden. Diese Personen wurden damit versklavt, lediglich temporär, wenn der Mann nach einer festgelegten Frist das geliehene Geld zurückzahlen und die Familie somit wieder auslösen konnte, aber permanent, wenn ihm dies nicht möglich war. Immerhin legte der Codex Hammurabi hier gewisse Normen fest, die dem potentiellen Missbrauch von so verpfändeten Menschen Grenzen setzte. Die Einrichtung des Konkubinates kann als eine Übergangsform zwischen der normalen ehelichen Abhängigkeit und der gänzlichen Unfreiheit gesehen werden. Sie erhielt eine besondere Bedeutung, wenn das Ehepaar kinderlos blieb und es darum ging, zur Sicherung des Privateigentums in der Familie Erben zu haben, denn auch die mit einer Nebenfrau gezeugten Kinder galten als Nachkommen des Mannes. Diese musste übrigens eine Doppelrolle spielen: Sie war dem Ehemann gegenüber sexuelle, der Ehefrau gegenüber haushälterische Dienerin. Für Frauen aus unteren Schichten bot die Möglichkeit, Konkubine oder u.U. auch normale Ehefrau eines Mannes aus höheren Schichten zu werden, die Chance eines sozialen Aufstiegs. Voraussetzung war die Unberührtheit dieser Frauen, womit die Überwachung der weiblichen Keuschheit zu einer von den Männern kontrollierten Familienangelegenheit wurde.17
Nach Lerner 1991, 122-127.
Von grundlegender Bedeutung in Lerners Analyse ist schliesslich ihr Befund, dass die Institution der Sklaverei als Folgeerscheinung der gesellschaftlichen Unterordnung der Frauen verstanden werden kann. Damit machten die Männer die Erfahrung, dass sich Frauen beherrschen und manipulieren liessen und diese konnte dann als konzeptionelles Modell für eine weiter intensivierte Herrschaft über Kriegsgefangene (oder auch über Menschen, die wie z.B. die oben erwähnten Verpfändeten aus innergesellschaftlichen Umständen ihres normalen sozialen Status verlustig gingen) dienen. Typischerweise wurden nach erfolgreichen Kriegszügen zunächst weibliche Gefangene und deren Kinder in die Sklaverei abgeführt, während es noch eine Zeitlang Usus blieb, alle gefangenen Männer umzubringen oder mindestens zu verstümmeln. Erst später setzte sich die Idee als vorteilhaft durch, auch männliche Gefangene als versklavte Arbeitskräfte auszunutzen. Dabei etablierte sich die Praxis der Vergewaltigung der Frauen einer besiegten Gruppe als bleibendes Merkmal der Eroberung. Diese sollte eine doppelte Wirkung haben: Die Frauen entehren und die besiegten Männer symbolisch kastrieren.18
Vgl. Lerner 1991, 107-110.
5.1.3 Beispiel einer neuzeitlichen Übergangsgesellschaft: Die Trobriand-Insulaner
5.2 Patriarchale Strukturen in der Antike: Das Beispiel Rom
5.2.1 Geschichtliches
5.2.2 Die patriarchale Familie
5.2.3 Höhepunkt der Sklaverei
Zitierte Literatur
Zusätzliche Literaturangaben (besonders zu Mittelalter und Neuzeit)