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Soziales i.e.S.

Soziales

Vorbemerkung
1. Begriffliches
1.1 Was heisst Soziales i.e.S.?
1.2 Begriffsvokabular der Residenz- und Deszendenzregeln
2. Soziale Systeme bei Tier-Primaten
2.1 Paviane
2.2 Orang-Utans
2.3 Gorillas
2.4 Schimpansen
2.5 Bonobos
3. Überlegungen zur sozialen Evolution der Hominiden
3.1 Von der Jagd- über die Sammel- zur Nahrungsteilungshypothese
3.2 Die Hypothese des “Sex-Vertrags“ von Helen E. Fisher
3.3 Das “Stammbaum-Modell” von Robert Foley
4. Die soziale Organisation archaischer und matrizentrischer Gesellschaften
4.1 Die archaische Gesellschaft: Patrilokale/patrilineare Horden ...
4.2 ... oder egalitäre Gemeinschaften?
4.3 Beispiel einer archaischen Gesellschaft: Die !Kung San (Buschleute)
4.3.1 Leben in lokalen Gruppen
Die !Kung sind in Gruppen organisiert, die je 10-30 Leute umfassen und während der Trockenzeit (Mai/Juni bis September/Oktober) in einem gemeinsamen Lager in der Nähe eines permanenten Wasserloches leben, wogegen sie während der Regenzeit in kleineren Einheiten der Reihe nach temporäre Wasserstellen als vorübergehende Basis benützen. Ein Kern von miteinander verwandten älteren Personen, gewöhnlich Geschwister oder Vettern und Basen, bildet das Zentrum einer solchen Gruppe und gilt als Eigentümer (k"ausi)42
Das Zeichen " in k"ausi steht für einen Knacklaut (vgl. Lee 1984, xvii).
des Wasserlochs; es handelt sich einfach um die Leute, die schon am längsten da sind. Um die Wasserstelle herum gibt es eine grössere Landfläche, die Nahrungsressourcen und noch andere Wasserlöcher enthält und so das grundlegende Selbstversorgungsgebiet der Gruppe darstellt. Die k"ausi üben dadurch, dass sie für einen genealogischen Fokus sorgen, eine integrative Funktion aus. Zunächst beginnt das Lager durch die Addition der von aussen kommenden Ehepartner bzw. Ehepartnerinnen der Kerngeschwister zu wachsen. Jene können dann ihrerseits ihre Geschwister und deren Gatten oder Gattinnen dazubringen usw. Das damit entstehende soziale System kann als eine Kette dargestellt werden; in Abb.16 ist das Prinzip idealtypisch dargestellt, während in Abb.17 als empirisches Beispiel die wirkliche Entwicklung des Lagers von Dobe43
Dobe ist der Name des Wasserlochs, dessen zugehöriges Lager Lee im Detail untersucht hat.
gezeigt ist. Die so entstehende Verwandtschaftsstruktur baut sich gleichermassen über männliche wie auch weibliche Personen auf; sie hat damit einen bilateralen Charakter. Wird sie in einem bestimmten Zeitpunkt inventarisiert, lässt sich feststellen, dass die Gruppe vorwiegend aus Individuen mit primären Bindungen besteht. Mit anderen Worten hat fast jedes Mitglied einen Elternteil, ein Kind, eine Schwester, einen Bruder, einen Ehepartner oder eine Ehepartnerin. Im Fall von Dobe gehören Geschwister beiderlei Geschlechts zum Kern, was der Normalfall ist. In Ausnahmefällen kann es auch vorkommen, dass nur Brüder oder nur Schwestern den Kern bilden. Jedenfalls zeigt sich, dass die Frage, ob bei den !Kung ein patrilokale oder eine matrilokale Residenzregel gelte, sinnlos ist. Vor allem widerspricht die Situation auch der These, wonach die Grundstruktur von allen archaischen Gesellschaften durch von Männern beherrschten Horden gebildet wird (vgl. 4.1).44
Nach Lee 1984, 58-60.
Natürlich wächst nun eine solche Gruppe nicht ins Unendliche. Wird sie gegenüber der Ressourcenbasis zu gross oder entstehen interne Konflikte, wird sie sich aufteilen. Dabei können neue Lager entstehen oder aber die bisherigen Mitglieder verteilen sich auf andere schon bestehende Lager. Es kann auch sein, dass bezüglich der Gruppenzusammensetzung von Zeit zu Zeit Korrekturen vorgenommen bzw. ermuntert werden, z.B. wenn der Anteil der Abhängigen gegenüber den Produzierenden zu gross wird. Hat es etwa zu viele Kinder, wird jungen Familien angeraten, sich einem anderen Lager anzuschliessen, in dem die Relation günstiger ist.45
Nach Lee 1984, 60.
Abbildung 16: Idealtypische Darstellung der Entwicklung einer bilateralen Gruppen-Organisation auf einer Generationsebene, ausgehend von Kerngeschwistern über eine Kette, die von den Ehepartnern bzw. Ehepartnerinnen dieser Geschwister, von den Geschwistern dieser Ehepartner und Ehepartnerinnen, von wiederum deren Ehepartner und Ehepartnerinnen usw. gebildet wird (aus Lee 1984, 59).
Abbildung 16: Idealtypische Darstellung der Entwicklung einer bilateralen Gruppen-Organisation auf einer Generationsebene, ausgehend von Kerngeschwistern über eine Kette, die von den Ehepartnern bzw. Ehepartnerinnen dieser Geschwister, von den Geschwistern dieser Ehepartner und Ehepartnerinnen, von wiederum deren Ehepartner und Ehepartnerinnen usw. gebildet wird (aus Lee 1984, 59).
Abbildung 17: Tatsächliche Entwicklung des Dobe-Hauptlagers nach dem bilateralen Kettenprinzip mit mehreren Generationen bis 1964 (aus Lee 1984, 59).
Abbildung 17: Tatsächliche Entwicklung des Dobe-Hauptlagers nach dem bilateralen Kettenprinzip mit mehreren Generationen bis 1964 (aus Lee 1984, 59).
4.3.2 Verwandtschaftssysteme
4.3.3 Heirat und Sexualität
4.4 Merkmale matrizentrischer Gesellschaften
4.4.1 Begriffliches
4.4.2 Geschichtliches
4.4.3 Zur Sozialordnung
4.5 Beispiel einer matrizentrischen Gesellschaft: Die Irokesen
4.5.1 Geschichtliches
4.5.2 Die matrilineare Grossfamilie
4.5.3 Der matrilineare Clan
5. Das Soziale in patriarchalen Gesellschaften
5.1 Der Vorgang der Patriarchalisierung
5.1.1 Hypothesen über die Ursachen
5.1.2 Der Vorgang der Patriarchalisierung in vorderasiatischen Gesellschaften
5.1.3 Beispiel einer neuzeitlichen Übergangsgesellschaft: Die Trobriand-Insulaner
5.2 Patriarchale Strukturen in der Antike: Das Beispiel Rom
5.2.1 Geschichtliches
5.2.2 Die patriarchale Familie
5.2.3 Höhepunkt der Sklaverei
Zitierte Literatur
Zusätzliche Literaturangaben (besonders zu Mittelalter und Neuzeit)