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Weltbilder

Weltbilder

Einführung
1. Begriffliches und Grundsätzliches
1.1 Was ist ein Weltbild?
1.2 Alternative Bezeichnungen
1.3 Gibt es eine Logik des Weltbildwandels?13
Dieser Abschnitt ist mit Änderungen übernommen aus Dieter Steiner 1996: 18-21.
1.4 Ein idealtypisches Schema
1.5 Parallelisierung von Weltbildarten, Bewusstseinsstufen und Gesellschaftstypen
1.5.1 Nicht-hierarchisches Weltbild
1.5.2 Holistisch-organismisches und atomistisch-mechanistisches Weltbild
1.5.3 Relational-evolutionäres Weltbild
2. Holismus versus Atomismus: Zwei Weltbilder im Widerstreit41
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1996: 28-38.
2.1 Zwei Kulturen
2.2 Geist versus Materie
2.3 Zwecke versus Ursachen
2.4 Werte versus Fakten
2.5 Konsequenzen für das Mensch-Umwelt-Verhältnis
3. Überwindung der Gegensätze: Archaisches in Vergangenheit und Zukunft97
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1996: 38-49.
3.1 Das undifferenzierte Weltbild der archaisch-matrizentrischen Zeit
3.2 Leben ist mehr als Sprache
3.3 Die Dualität des relationalen Weltbildes
3.4 Warum der Zusatz "evolutionär"?
3.5 Verbindung zwischen Zwecken und Ursachen
3.6 Versöhnung zwischen Werten und Fakten
3.7 Die ökologische Vernunft kann nicht etwas Beliebiges sein
4. Rolle und Bedeutung der Deutungssysteme Religion, Philosophie und Wissenschaft171
Dieses Kapitel ist mit Änderungen übernommen aus Steiner 1998.
4.1 Der heutige Orientierungsverlust
4.2 Die "seelisch-geistige Nahrungskette"
4.3 Zu den "Nahrungsunterbrüchen" und ihrer Überwindung
4.3.1 Wissenschaft
4.3.2 Philosophie
4.3.3 Religion
Allgemein besteht heute eine grosse Scheu, ein hinter die Vernunft zurückreichendes Fundament überhaupt ins Auge zu fassen. Es gibt aber Ausnahmen. So sagt der gegen den heutigen Strom schwimmende Philosoph Karl Albert, dass die Philosophie sich nicht auf den rational-argumentativen Diskurs beschränken dürfe, weil dieser das menschliche Bedürnis nach einem geistigen Gefühl - ich denke, wir könnten auch sagen nach Spiritualität - nicht befriedige. Deshalb möchte Albert das eigentliche und wesentliche Moment der Philosophie, ihre Beschäftigung mit der "ontologischen Erfahrung", wie er es ausdrückt, wiederbeleben.183
Nach Elenor Jain 1997.
Damit aber stellt er einen Anschluss an die Mystik her, wie es denn auch in zweien seiner Buchtitel zum Ausdruck kommt: "Mystik und Philosophie" und "Einführung in die philosophische Mystik".184
Karl Albert 1986 bzw. 1996.
Die mystische Erfahrung des Einsseins mit der Welt, mit dem Sein, oder, in theistischer Interpretation, mit Gott, ist aber genau der Ausgangspunkt aller Religionen. Ein Ernstnehmen dieser Erfahrung bedeutet, dass Religion ihren Anschluss an die der betrachteten "seelisch-geistigen Nahrungskette" noch vorausliegende Ökologie herstellen kann. So weist der Religionsphilosoph Hubertus Mynarek darauf hin,
dass der ökologische Aspekt ein Schlüsselelement überhaupt jeder Religion ist, dass alle echten Religionen im Grunde oder in einer wesentlichen Hinsicht ökologische Religionen sind, die meisten allerdings, ohne es bewusst zu machen.185
Hubertus Mynarek 1986: 12.
Viele Religionen haben aber dann das Problem, dass sie diesen Ursprung vergessen und damit ihre Lebendigkeit verloren haben. David Steindl-Rast, Benediktiner-Mönch und Zen-Buddhist in Personalunion, schildert, wie religiöse Erlebnisse, wenn sie nicht Privatsache bleiben wollen, nach Austausch und Verankerung in einer Gemeinschaft rufen, so dass die Möglichkeit entsteht, in ritueller Form den Zugang zu mystischem Erleben zu erleichtern. Damit aber kommt unweigerlich ein Institutionalisierungsprozess in Gang, der, neben seinen positiven Seiten, immer auch in Gefahr ist, in einer Erstarrung und damit Dogmatisierung zu enden.186
David Steindl-Rast in einem Workshop "Neues Denken in Wisssenschaft und Theologie" in der Cortona-Woche 5, 14.-21. April 1991.
Eine Religion wird dann zur Religion aus zweiter Hand: Sie wird nur noch vermittelt, nicht mehr wirklich erlebt. Es stellt sich dann die Frage, wie solche Prozesse zwecks Rückführung auf die Erlebnisebene durchbrochen werden können.
Nun, so mögen wir denken, das hat vielleicht in früheren Zeiten funktioniert. Heute aber ist Mystik, sofern es sie überhaupt noch gibt, eine exklusive Angelegenheit, etwa jenen vorbehalten, die ihr Leben meditierend im Kloster verbringen. Stimmt nicht, sagt Dorothee Sölle in ihrem neusten Buch "Mystik und Widerstand".187
Dorothee Sölle 1997.
Mystische Erfahrungen der einen oder anderen Art können wir alle noch heute machen. Dazu braucht es nicht unbedingt meditative Praktiken, wir können auch von einem Natur- oder Gemeinschaftserlebnis überwältigt werden; in der humanistischen Psychologie, z.B. bei Abraham A. Maslow, werden solche Erlebnisse Gipfelerlebnisse oder Grenzerfahrungen genannt.188
Abraham A. Maslow 1985.
Natürlich passieren die nicht alle Tage; es gibt aber, so Sölle, die Möglichkeit der Seinserfahrung auch im Alltag - und damit der "Demokratisierung der Mystik", wie sie es nennt -, sofern es gelingt, alltägliche Verrichtungen in einer Einstellung des "Hier und Jetzt" anzugehen. Geschirrspülen z.B. kann dann zu einer Tätigkeit werden, bei der vordergründig nicht das gespülte Geschirr das Ziel ist, sondern die Tätigkeit selbst.189
Das ist ein willkürliches Beispiel, keinesfalls soll damit ein Hausfrauendasein glorifiziert werden, abgesehen davon, dass es ja auch schon einige wenige Hausmänner gibt.
Sölle schliesst damit an der zen-buddhistischen Auffassung an, wonach das Mystische durchaus auch im Alltag zu finden ist, wenn es gelingt, Routine-Handlungen in einem Zustand von Achtsamkeit durchzuführen. "Wenn du gehst, dann gehe. Wenn du sitzt, dann sitze. Wenn du arbeitest, dann arbeite," so heisst es auf dem Deckel eines Buches "Zen für jeden Tag".190
Adelheid Meutes-Wilsing und Judith Bossert 1994. Über das Alltägliche hinaus werden im Zen auch spezielle Übungen wie z.B. Bogenschiessen zur Bewusstseinsschulung gepflegt. Daisetz T. Suzuki sagt dazu: "So wird Bogenschiessen nicht allein geübt, um die Scheibe zu treffen, ... sondern vor allem soll das Bewusstsein dem Unbewussten harmonisch angeglichen werden" (in der Einleitung zu Eugen Herrigel 1986: 7)
Zitierte Literatur