www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Weltbilder

1.1 Was ist ein Weltbild?

Ein Weltbild ist zunächst einfach das, was das Wort ausdrückt, nämlich eben ein Bild, das wir uns von der Welt machen. Klaus Eder redet von Weltbildern als "symbolischen Schematisierungen der Welt"1. Sie dienen dem Versuch, die Welt in einem umfassenden Sinne zu verstehen, so dass ihre Einzelheiten in einem grösseren Zusammenhang erscheinen und insbesondere auch die Stellung des Menschen in der Welt eine Klärung erfährt. Ein Weltbild hat somit den Charakter einer Sinnstruktur: Die Dinge dieser Welt lassen sich sinnvoll einordnen. Damit aber ist ein Weltbild in der Lage, dem Menschen ein Gefühl von Sicherheit zu geben, indem es nämlich das Bedürfnis, "die vorfindliche Wirklichkeit in feste Formen zu bringen, Konstanz ausfindig zu machen und in Sätzen und Systemen festzuhalten", befriedigt.2 Eine ausführlichere Beschreibung des Charakters eines Weltbildes finden wir bei Paul Hoyningen-Huene:
Ein Weltbild ist etwas Ganzes, Einheitliches, etwas auf die Welt als ganze Bezogenes; ein Weltbild ist nicht einfach ein zusammenhangsloser Haufen von Einzelbildern der Dinge, die es in der Welt gibt. ... Zum Teil als Folge der ... Ganzheit und Einheitlichkeit von Weltbildern denken wir dabei an etwas vergleichsweise Statisches und Dauerhaftes: Weltbilder haben eine gewisse Beharrungstendenz. ... Wir rechnen Weltbilder vielfach nicht Einzelpersonen zu, sondern ganzen Epochen, Völkern, Kulturen, Religionen, Gesellschaften oder Subkulturen. Das korrespondiert offensichtlich zu ihrer relativen Dauerhaftigkeit und Unveränderbarkeit.3
Der Charakter eines Weltbildes ist wesentlich durch die Art des Deutungssystems geprägt, das schwergewichtig zu seiner Entstehung beigetragen hat. Auch die Einheitlichkeit oder Uneinheitlichkeit eines Weltbildes hat damit zu tun. Frühe menschliche Gesellschaften orientierten sich ausschliesslich an religiösen Vorstellungen und damit war dann eine verbindliche Sinnstruktur verbunden. Unser heutiges Weltbild dagegen ist sehr stark durch die Ergebnisse der Wissenschaft beeinflusst. Insofern aber wissenschaftliche Theorien sich je nach Disziplin immer nur auf bestimmte Ausschnitte der Welt beziehen können, muss ein Weltbild eine übergeordnete, eine aufs Ganze zielende Theorie sein, und diese kann dann entsprechend nicht ausschliesslich rein wissenschaftlicher Natur sein. Damit auch in unserer heutigen Zeit ein Weltbild überhaupt zustande kommen kann, muss es auch philosophische und/oder religiöse Aspekte enthalten.4 Das heisst dann aber, dass es auch normative Komponenten umfasst, d.h. Vorstellungen nicht nur der Welt, wie sie ist, sondern auch wie sie idealerweise sein sollte. Solche Vorstellungen sind heute nicht mehr verbindlicher Natur, womit ein Pluralismus möglicher Weltbilder zu erwarten ist. Dass wir trotzdem von einem vorherrschenden Weltbild der Moderne reden können, hat damit zu tun, dass die wissenschaftliche Komponente doch einen dominanten Einfluss ausübt. Im Übrigen darf die Rede von einer "übergeordneten Theorie" nicht unbedingt so verstanden werden, dass ein Weltbild etwas aus dem Kopf Abrufbares und explizit Formulierbares ist. Zwar kann es in philosophischen Diskursen oder in ethnologischen Beschreibungen zur "Offenlegung" von Weltbildern kommen, aber für den Durchschnittsmenschen ist ein Weltbild zunächst wohl eher ein impliziter Bestandteil des praktischen Bewusstseins, der beim Versuch, den Alltag in selbstverständlicher Weise zu bewältigen, einen leitenden Hintergrund abgibt.

Anmerkungen

1
Klaus Eder 1980: 150.
2
Günter Dux 1990: 251.
3
Paul Hoyningen-Huene 1989: 77-78.
4
Vgl. Carlo Jaeger 1988: 3.