www.humanecology.ch · Skripten 1998/99 · Bewusstsein

4.2 Die magische Stufe130

Die magische Stufe der Bewusstseinsentwicklung ist als typisch für die paläolithischen Wildbeuter-Gesellschaften anzusehen. Es kommt zu einer ersten Trennung von Innen- und Aussenwelt, zu einem ersten Herauslösen des Menschen aus dem Einklang.
Der Mensch ist zum ersten Male nicht mehr nur in der Welt, sondern es beginnt ein erstes, noch schemenhaftes Gegenübersein. Und damit taucht keimhaft auch jene Notwendigkeit auf: nicht mehr nur in der Welt zu sein, sondern die Welt haben zu müssen.131
Das menschliche Tun wird aber immer noch vorwiegend von einem emotional gesteuerten Trieb- und Instinktbewusstsein angeleitet, das auf Natur und Erde Antwort gibt. Anders ausgedrückt: Die drei unterschiedenen Bewusstseinsebenen sind zwar schon vorhanden, aber sie operieren weitgehend in einem Rahmen, der von der Seele bzw. vom Tiefenbewusstsein gesetzt wird. Der Mensch ist sich allerdings noch nicht bewusst, dass die Seele in ihm selbst drin ist, sondern er verlegt sie in die Aussenwelt. Damit aber ist das Wirken einer unbewusst verknüpfenden vegetativen psychischen Energetik möglich: Der magische Mensch besitzt, so denkt Gebser wenigstens, Fähigkeiten, die wir heute als parapsychologische Phänomene betrachten. Insgesamt können wir durchaus eine Parallele zur oben genannten holistisch-kontemplativen Stufe der biologischen Entwicklung sehen. Die Art und Weise, wie der Mensch die Aussenwelt wahrnimmt, ist ganzheitlich: Ein Teil kann für das Ganze und jede Erscheinung stellvertretend für eine andere stehen. Gleichzeitig besteht natürlich zwecks Lebensunterhalt die Notwendigkeit eines selektiven Umgangs mit der Aussenwelt, womit erste Spuren einer instrumentellen Einstellung ausgemacht werden können.132 Aber diese sind vorläufig noch ganz in die holistische Orientierung eingebettet; der Mensch ist zwar der Handelnde, aber sein Handeln fügt sich in ein übergeordnetes Geschehen ein.

Anmerkungen

130
Vgl. Gebser 1949: 79 ff.
131
Gebser 1949: 79-80.
132
Gebser selbst glaubt auch, daß die Wörter "machen", "Mechanik", "Maschine", "Macht" und "Magie" alle auf eine gemeinsame indogermanische Wurzel zurückgehen (Gebser 1949: 79).