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Bewusstsein

Bewusstsein

1. Begriffliches
1.1 Bewusstsein
1.2 Seele und Geist
Die beiden Begriffe werden sehr unterschiedlich gebraucht, zum Teil synonym, zum Teil in einem abgestuften Sinne, zum Teil als Gegensätze. Im ersten Fall wird wechselweise von Seele oder Geist gesprochen, wenn alle in der Welt existierenden immateriellen Erscheinungen gemeint sind. Dabei wird oft unterschieden zwischen einem Teil, der auf den einzelnen Menschen fällt und einem Ganzen, das die Welt insgesamt umfasst. So gibt es z.B. bei Platon (427-347 v.u.Z.) den Begriff einerseits der Weltseele als der Kraft, die sich selbst und alles andere bewegt, und andererseits der Einzelseele des Menschen, die zwar mit dessen Körper verbunden ist, aber sonst mit der Weltseele wesensgleich ist.9
Vgl. Johannes Hoffmeister 1955: 547.
Hegel (1770-1831) meinte etwas Ähnliches mit seinen Konzepten einerseits des objektiven Geistes, der als der ein ideales Ganze bildende göttliche Geist verstanden wird, und andererseits des subjektiven Geistes, der an das Wesen der individuellen Persönlichkeiten gebunden ist und aber eine Offenbarung des objektiven Geistes darstellt.10
Nach Hoffmeister 1955: 249.
Im zweiten Fall (abgestuftes Verhältnis) bezeichnet Seele ein eingeengteres, Geist dagegen ein umfassenderes Prinzip, in dem das erstere eingeschlossen ist. Z.B. wird in der Tiefenpsychologie von Carl Gustav Jung (1875-1961) in diesem Sinne von Seele und Geist gesprochen:
Unter dem Begriff "Seele" ... soll ... ein bestimmter, abgegrenzter Funktionskomplex verstanden werden, den man am besten als eine Art "innere Persönlichkeit" charakterisieren könnte, als das "Subjekt", zu welchem das Ichbewusstsein des Individuums einen ebensolchen Bezug hat wie zum äusseren Objekt. In der Definition von Jung heisst es "Das Subjekt als 'inneres' Objekt aufgefasst, ist jedoch: das Unbewusste."11
Nach Jolande Jacobi 1971: 5, Fussnote 1.
... unter "Geist" [soll] ... eine zwar ... dem Bewusstseinsbereich zugehörige, aber auch dem Unbewussten natürlich verhaftete Fähigkeit aufgefasst werden, die in erster Linie zu ästhetisch-schöpferischen und sittlich-religiösen, sinngerichteten Leistungen des Individuums in Form von Einsichten und Äusserungen führt, die aber auch seinen Denk- und Urteilsakten ebenso wie seinem emotionalen Verhalten eine bestimmte Färbung zu geben vermag. "Geist" in diesem Sinne beinhaltet sowohl den Intellekt als auch die Seele in einer sinnbezogenen "Überhöhung" und Verbindung beider ...12
Nach Jacobi 1971: 6, Fussnote 1.
Im dritten Fall (Gegensätze) schliesslich verengt sich die Bedeutung des Begriffes Geist auf die intellektuellen, verstandesmässigen Fähigkeiten des Menschen und damit kontrastiert er dann mit dem ebenfalls eingeengten Begriff der Seele, so wie er, wie gerade erwähnt, in der Jungschen Psychologie gebraucht wird:
Nun heisst Geist aber im besonderen psychologischen Sinn der menschliche Verstand, das Denken, die Vernunft im Menschen, und insofern diese Fähigkeiten das Leben und Seelenleben des Menschen beherrschen können oder sollen, kann der Geist im Gegensatz zum unbewussten Leben und triebhaften Seelenleben treten.13
Hoffmeister 1955: 249.
Der Psychologe und Philosoph Ludwig Klages (1872-1956) z.B. hat Seele und Geist in diesem Sinne verstanden und daraus einen Widerstreit zwischen beiden konstruiert (vgl. 2.1). Im übrigen ist es auch in der heutigen Zeit noch möglich, einen göttlichen Akt für die Existenz der Seele anzunehmen. Dies tut z.B. Richard Swinburne, indem er dafür argumentiert, dass die Wissenschaft das Auftreten eines mentalen Lebens aus den physischen Grundlagen nicht ableiten könne und dass dafür eine "persönliche Erklärung" (gemeint ist das intentionale Wirken eines Akteurs) in Anspruch genommen werden müsse:
Invoking a personal explanation in this case involves invoking God, a power behind nature, who intentionally keeps the laws of nature operative... and also brings it about that there is linked to the brain of an animal or man a soul which interacts with it in a regular and predictable way.14
Richard Swinburne 1997: 198.
In der Art und Weise wie ich im folgenden die Begriffe Seele und Geist verwenden werde, schliesse ich an der Gegensatzpaar-Version an, fasse aber Seele und Geist als komplementäre, und nicht widerstreitende Prinzipien auf. Genauer: Ich stelle in 2.1 Natur und Geist einander gegenüber, wobei im ersteren Term sowohl Seele und Körper inbegriffen sind. Auch dieses Begriffspaar wird natürlich in der Literatur sehr verschieden gebraucht. Carl Friedrich von Weizsäcker hat zu diesem Problem einen Text verfasst, der uns auf einen "verwirrenden kleinen Spaziergang" mitnimmt. U.a. schreibt er:
Geist und Natur - was soll das denn heissen? ... Geist - das meint vielleicht Bewusstsein; Natur - das meint vielleicht Materie? Englisch vielleicht mind and matter? Sie kennen den Scherz: "What is mind? No matter. What is matter. Never mind!"15
Von Weizsäcker 1989: 17.
2. Die drei Bewusstseinsebenen
2.1 Natur und Geist: Partner oder Widersacher?16
Mit einigen Änderungen aus Dieter Steiner 1997: 46-49, übernommen.
2.2 Kopf, Hand und Herz44
Mit einigen Änderungen aus Steiner 1997: 49-51 übernommen.
2.3 Mehr zum praktischen Bewusstsein63
Mit einigen Änderungen aus Steiner 1997: 51-54 übernommen.
2.4 Implizites und explizites Wissen
3. Welt, Mitwelt, Umwelt: Die drei Bewusstseinsebenen und ihre Beziehungsfähigkeit86
Mit einigen Änderungen aus Steiner 1997: 54-67 übernommen.
3.1 Die Welt und Ich
3.2 Ich und Du, Du und Ich
3.3 Ich und die Welt, Ich und Es
4. Bewusstseinsentwicklung in der kulturellen Evolution (Jean Gebser)126
Mit einigen Änderungen übernommen aus Steiner 1997: 83-86, und Zusätzen aus Steiner 1994: 205-215.
4.1 Die archaische Stufe128
Vgl. Gebser 1949: 73 ff.
4.2 Die magische Stufe130
Vgl. Gebser 1949: 79 ff.
4.3 Die mythische Stufe133
Vgl. Gebser 1949: 100 ff.
4.4 Die mentale Stufe139
Vgl. Gebser 1949: 123 ff.
5. Zur ontogenetischen Bewusstseinsentwicklung
5.1 Der genetische Strukturalismus von Jean Piaget
5.2 Die Theorie der moralischen Entwicklung von Lawrence Kohlberg
6. Ist das Bewusstsein der Zukunft transpersonal?
6.1 Die Transzendenz des mentalen Ich-Bewusstseins: Einige Vorstellungen
6.1.1 Das "integrale Bewusstsein" bei Jean Gebser
6.1.2 Der "Punkt Omega" bei Pierre Teilhard de Chardin
6.1.3 Das "transpersonale Überbewusstsein" bei Ken Wilber
6.1.4 Das "globale Gehirn" der Cyberspace190
Der Begriff "Cyberspace" stammt aus der Science Fiction-Erzählung "Neuromancer" von William Gibson. Es ist der Raum, der innerhalb und zwischen den vernetzten Computern geschaffen wird, in dem Raum und Zeit kollabieren, "giving us the potential to connect with anyone anywhere and information everywhere, here and now" (Peter und Trudy Johnson-Lenz 1997: 43).
-Futuristen
6.1.5 Die "Selbstrealisierung" bei Arne Naess
6.2 "Leere" und "Fülle" in der buddhistischen Bewusstseinslehre205
Mit einigen Kürzungen übernommen aus Steiner 1997: 98-106.
7. Gibt es ein weibliches und ein männliches Bewusstsein?
7.1 Kommunikative versus instrumentelle Rationalität: Hans Kummer und Peter Ulrich
7.2 Natur versus Geist: Erich Neumann und Gerda Weiler
7.3 Fürsorge versus Gerechtigkeit: Lawrence Kohlberg und Carol Gilligan258
Mit geringen Änderungen übernommen aus Steiner 1994: 221-223.
Zitierte Literatur