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Kulturelle Evolution: Einführung und Übersicht

Kulturelle Evolution

Vorbemerkung
1. Begriffliches
1.1 Gesellschaft und Kultur
"Gesellschaft" und "Kultur" sind zwei Begriffe, die in sehr unterschiedlicher und vieldeutiger Weise benutzt werden. Es gibt im Prinzip drei Möglichkeiten:
1.
Beide Begriffe werden synonym für die Gesamtheit der Aspekte menschlichen Zusammenlebens verwendet. Wenn wir z.B. von der "kulturellen Evolution" reden, bezieht sich der Begriff der Kultur auf geistige, soziale wie auch materielle Merkmale der Menschheitsgeschichte. Entsprechend wäre dann auch der Ausdruck "gesellschaftliche Evolution" möglich, aber "kulturelle Evolution" hat sich nun mal eingebürgert.
2.
"Kultur" wird als Oberbegriff verwendet, "Gesellschaft" als Unterbegriff oder umgekehrt. Z.B. ist nach dem Wörterbuch der Soziologie von Wilhelm Bernsdorf unter "Gesellschaft" die soziale Lebensform der Menschen, die Art und Weise, wie sie ihr Zusammenleben organisieren, zu verstehen.1
Wilhelm Bernsdorf 1972: 287.
Zu "Kultur" heisst es im gleichen Wörterbuch: Sie "ist die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, einschliesslich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere der Wert-Einstellungen." Und weiter: "Die 'typischen Lebensformen' umfassen auch die technischen Grundlagen des Daseins samt ihren materiellen Substraten ... Es steht nichts im Wege, die materiellen Bestandteile ... als 'materielle Kultur' zu bezeichnen."2
Bernsdorf 1972: 479.
Insgesamt tönt dies so, wie wenn "Kultur" ein übergeordneter Begriff wäre, der "Gesellschaft" einschliesst. Der Zürcher Soziologe Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny dagegen weist darauf hin, dass umgekehrt oft von der "Kultur" einer "Gesellschaft" gesprochen wird, wobei dann also der letztere Term zum Oberbegriff wird.3
Hans-Joachim Nowotny 1989.
Im Lexikon der Soziologie von Günter Hartfiel heisst es z.B. unter dem Stichwort "Gesellschaft": Umstritten ist, welches die ursächlichen Bestimmungsfaktoren von Gesellschaft sind: ob Gesellschaft über Prozesse der Institutionalisierung von Kultur, d.h. über eine allgemeine Anerkennung von bestimmten (religiös, ethisch, moralisch usw. begründeten) Werten und deren Präzisierung zu Anweisungen, Regeln und Normen für menschliches Handeln sich bildet; oder ob Gesellschaft ein Resultat bestimmter (entweder 'natürlicher' oder bereits immer von Menschen durch Arbeit umgestalteter) materieller Daseinsbedingungen ist.4
Günter Hartfiel 1976: 227.
3.
Beide Begriffe bezeichnen Teilaspekte des menschlichen Zusammenlebens. In diesem Fall verstehen wir unter "Gesellschaft" die oben genannte soziale Lebensform oder Organisation des menschlichen Zusammenlebens, unter "Kultur" dagegen die das Zusammenleben tragende "Geistesverfassung", die auf einem Weltbild gründet und sich in der Form kultureller Orientierungen äussert. Dies ist in Übereinstimmung mit Hoffmann-Nowotny, der die beiden Begriffe als gleichberechtigt und in einem Spannungsverhältnis stehend betrachtet. Er sagt, es liege nahe, " 'Gesellschaft' ... als Struktur eines sozialen Systems zu verstehen, auf die wir mit Begriffen wie Stand, Klasse, Schicht, oder Ungleichheit, Macht, Herrschaft etc. verweisen." Und im Gegensatz dazu: " 'Kultur' meint symbolische Repräsentationen, auf die wir Begriffen wie Wert, Norm, Institution, Ideologie, Recht, Religion, Vorstellungen, Wahrnehmungsmuster etc. Bezug nehmen."5
Hoffmann-Nowotny 1989.
Wenn wir neben den Ebenen der Orientierung und der Organisation noch die der materiellen Reproduktion dazunehmen, kommen wir zur häufig benützten Dreiteilung in Superstruktur, Struktur und Infrastruktur. Diese betrachten wir unten in 1.2 noch genauer. Im folgenden werden wir beide Begriffe entweder im weiteren Sinn wie unter 1. oder im engeren Sinne wie unter 3. gebrauchen. Aus dem Zusammenhang dürfte an sich meistens klar sein, welche Bedeutung gemeint ist, aber zur Sicherheit treffen wir die folgende Unterscheidung: Im ersteren Fall schreiben wir "Gesellschaftw" bzw. "Kulturw", im letzteren "Gesellschafte" bzw. "Kulture".
1.2 Superstruktur, Struktur und Infrastruktur
1.2.1 Infrastruktur
1.2.2 Struktur
1.2.3 Superstruktur
1.2.4 Einige Überlegungen zum Umweltbezug
1.2.5 Ein Hinweis auf Rudolf Steiner
2. Aspekte einer Gesellschaftstheorie
2.1 Individuum und Gesellschaftw
2.2 Ein Blick auf die Strukturationstheorie von Giddens22
Siehe Anthony Giddens 1984, deutsche Übersetzung Giddens 1988.
2.3 Kulturelle und gesellschaftliche Regeln
2.4 Soziale Integration und System-Integration, Gemeinschaft und Gesellschaft
2.5 Unbeabsichtigte Handlungsfolgen und autonome Prozesse
2.6 Sinnsysteme und konstruierte Wirklichkeiten
3. Einige theoretische Vorstellungen über die kulturelle Evolution
3.1 Kontrollierter Atomismus: Hobbes und Rousseau
3.2 Der Primat der Infrastruktur: Marx und Harris
3.3 Der unausweichliche Fortschritt: Von Comte und Spencer zur Modernisierungstheorie
3.4 Die ungeplante aber trotzdem gerichtete Entwicklung: Elias
3.5 Systeme ohne Personen: Rappaport und Luhmann
3.6 Der Kreislauf von Aufstieg, Blüte und Zerfall: Toynbee
4. Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung
4.1 Zur Entwicklung gesellschaftlicher Strukturen65
Im Sinne von Gesellschafte.
4.1.1 Archaische Gesellschaften
4.1.2 Politische Gesellschaften
4.1.3 Ökonomische Gesellschaft
4.2 Zur Entwicklung des Geschlechterverhältnisses
4.3 Zur Entwicklung kultureller Strukturen
5. Demographische und energetische Aspekte der kulturellen Evolution
5.1 Zur Bevölkerungsentwicklung
5.2 Zur Entwicklung des menschlichen Energieverbrauchs
Zitierte Literatur