Insofern die Entstehung der menschlichen Sprache an die Existenz bestimmter Hirnstrukturen gebunden ist, ist sie als weiteres wichtiges Attribut der Hominisation nochmals bedeutend jünger als die Gehirnentwicklung. Die Lautäusserung bei Tieren ist eine emotionale Angelegenheit und vom limbischen System aus gesteuert. Auch beim Menschen kommen nicht-verbale Mitteilungen wie spontane Ausrufe der Freude und des Schmerzes noch auf diese Weise zustande. Sie sind meist von passender Gestik und Mimik begleitet. Eigentliches Sprechen, d.h. eine Form der lautlichen Informationsvermittlung, die vom inneren emotionalen Zustand losgelöst sein kann, wird erst durch die Entwicklung der Sprachzentren im Neocortex des menschlichen Gehirns möglich. Allerdings weist Leakey darauf hin, dass auch bei einem normalen Gespräch zwischen zwei Personen 80% der Bedeutung der Kommunikation nicht-verbal gegeben
ist.102Leakey 1981.
Eine weitere organische Voraussetzung für das Sprechen ist eine Fähigkeit zur flexiblen Bewegung der Lippen-, Kiefer-, Zungen-, Kehlkopf- und Lungenmuskulatur, d.h. eine Ausbildung des notwendigen "morphologischen
Apparates".103Siehe Osche 1982: 391.
Von besonderer Bedeutung ist dabei die Lage des Zungenbeins (siehe Abbildung 15). Zur Bildung von Wörtern müssen die vom Kehlkopf erzeugten Laute in den Hohlräumen oberhalb des Kehlkopfs moduliert werden können. Beim modernen Menschen sind dies Nasenhöhle, Mund und Rachen. Bei Homo erectus dürften die anatomischen Eigenheiten (es kann nur eine Kammer, die Mundhöhle, in ihrer Grösse verändert werden) noch so gewesen sein, dass lediglich eine langsame und schwerfällige Sprache möglich
war.104Siehe Edmund White und Dale Brown 1975: 103.