Zunächst zur Bedeutung des Wortes “sozial” im allgemeinen: Es stammt von dem lateinischen
socialis ab und meint “die Gesellschaft betreffend”, “gesellschaftlich”, “gesellig”,
“ehelich”.1Wilhelm Bernsdorf 1972, 708.
Das sind verschiedene Bedeutungen und tatsächlich ist der Begriff auch im heutigen Sprachgebrauch immer noch unscharf und vieldeutig. Hier meinen wir damit auf alle Fälle das, was mit dem zweiten der obigen Bedeutungen angesprochen ist. Dazu eine Definitionen aus einem Lexikon der Soziologie:
Wie es in der Beschreibung selbst heisst, ist dies immer noch sehr allgemein. Etwas aufschlussreicher ist die folgende Charakterisierung:
Wir treffen hier wieder auf die Unterscheidung von Gesellschaft
e und Kultur
e bzw. von Struktur und Superstruktur, wie wir sie in “Kulturelle Evolution”, Abschnitt 1.2 und Abb.1 getroffen haben. Das Soziale (Gesellschaftliche) auf der Ebene der Struktur bezieht sich auf Beziehungen zwischen menschlichen Individuen, das Kulturelle auf der Ebene der Superstruktur auf Beziehungen zwischen Menschen und Ideen. Noch ist aber dabei der Begriff des “Sozialen” für die vorliegenden Zwecke zu weit gefasst. Er bezieht sich zunächst auf alle drei Formen der Organisation des menschlichen Zusammenlebens, die soziale i.e.S., die politische und die ökonomische Organisation (vgl. Abb.1 in 1.2 von “Kulturelle Evolution”). Im vorliegenden Text interessiert uns nur die erste Art. Dabei ist es umstritten, wie das Soziale i.e.S. vom Politischen abzugrenzen ist, wenn es denn überhaupt eine solche Unterscheidung geben kann. Von den archaischen Gesellschaften z.B. wird zum Teil gesagt, diese verfügten über gar keine politische Struktur. Der Zürcher Ethnologe Jürg Helbling meint, eine solche Schlussfolgerung ergäbe sich aus einer ethnozentrischen Sicht, die nach politischen Institutionen und Ämtern suche, so wie wir sie kennen, die es aber tatsächlich in archaischen Gesellschaften nicht gebe. Hingegen existierten Machtbeziehungen zwischen den Generationen und zwischen den Geschlechtern, und diese müssten als Teil einer politischen Struktur betrachtet
werden.5Siehe Jürg Helbling 1987, 36.
Helbling ist offenbar der Ansicht, dass “Macht” ein politisches Phänomen ist, wo immer sie auch auftritt. Man kann es so sehen. Trotzdem möchte ich hier von dieser Klassifizierung absehen und Beziehungen zwischen Generationen und Geschlechtern eben zum Bereich des Sozialen i.e.S. zählen. Allgemeiner ausgedrückt soll dieses menschliche Beziehungen umfassen, die Einzelpersonen betreffen und nicht direkt mit der Gemeinschaft oder der Gesellschaft als Ganze zu tun haben. Wir könnten auch sagen, es gehe um Beziehungen der “sozialen Nähe”, die sich auf Phänomene wie Sexualität, Liebe, Zuneigung, Fürsorge, Ehe, Familie, Elternschaft, Verwandtschaft und Affinalität (Verschwägerung durch Heiratsbeziehungen) beziehen, alles Erscheinungen, die der biologischen Existenz des Menschen nahe sind. Dazu passt eine vom Zoologen Adolf Remane gegebene Charakterisierung:
So gesehen bezieht sich unsere Kategorie des Sozialen i.e.S. auf die zuletzt genannte Art des Handelns. Damit stimmen wir überein mit einer Unterscheidung von sozialen und politischen Merkmalen wie sie Heide Göttner-Abendroth bei der Diskussion matriarchaler Gesellschaften trifft: Unter den sozialen Merkmalen versteht sie die Verwandtschafts-, die Heirats- und Ehebeziehungen, zu den politischen Merkmalen zählt sie dagegen diejenigen Vorgänge, die mit einer die Gemeinschaft als Ganze betreffenden Entscheidungsfindung zu tun
haben.8Vgl. Heide Göttner-Abendroth 1997a, 19. Allerdings hält sie diese Differenzierung nicht konsequent durch: An anderer Stelle (15) redet sie von den drei Ebenen des Ökonomischen, des Sozialen und des Kulturellen (das sie das “Symbolisch-weltanschauliche” nennt) und subsumiert dabei das Politische unter das Soziale.